Westallianz greift Gaddafis Regime an: Ohne Deutschland

Als die ersten Bomben auf Libyen fielen, da saß die NATO noch beim Tee. Als die ersten Besatzungen an Bord der französischen, britischen und amerikanischen Militär-Jets auf den Auslöser drückten, da eierte die westliche Allianz noch herum, weil man bis dahin keinen Konsens gefunden hatte.

Das größte und wichtigste Militärbündnis der Welt zeigte sich - zahnlos? Oder endlich besonnen und überlegt? Selten zuvor mussten die Militärs so lange den Finger vom Abzug lassen, weil die Politiker sich nicht klar darüber waren, was sie anrichten, wenn sie zuschlagen.

Erst als sogar die Nachbarn Libyens, ja sogar die Einwohner des Landes, dessen Militärstruktur man außer Kraft setzen will, zustimmten, legte die "Koalition der Willigen" los. Zum "Schutz der Bevölkerung", wie sich Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy zu erklären beeilte. Seine Maschinen waren die ersten über Libyen.

Die fliegende Schutztruppe will keinen Krieg, sie will eben diesen verhindern. Es soll keine Besatzer und keine Eroberer geben, nur Beschützer. Sogar Machthaber Muammar Gaddafi darf sich sicher fühlen: Sein Tod steht nicht im Einsatzplan. Soviel von den UN legitimierte Friedfertigkeit sollte jedem die Beteiligung leicht machen.

Spätestens da wird die deutsche Zurückhaltung, ja Ablehnung schwer begreiflich. Wenn doch alles nur gut gemeint und begrenzt ist, von welchem "Ende her" denkt die Bundesregierung, wie es Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere formulierte? Wenn das Ziel doch lediglich darin besteht, dem Despoten die Waffen, mit denen er sein eigenes Volk massakriert, aus den Händen zu schlagen? Es ist zweifellos nicht unanständig, sich darüber Gedanken zu machen, ob der deutsche Landtagswähler einen Eintritt in die "Koalition der Willigen" nicht vielleicht doch bestrafen würde.

Aber es ist politisch zumindest unklug, wochenlang den Rächer der unterdrückten, libyschen Demokraten zu geben und auf bekanntermaßen unwirksame Sanktionen zu setzen, im entscheidenden Augenblick aber dann doch den Bremser, ja den Spalter im Bündnis zu spielen.

Niemand redet von einem Kriegseintritt der Bundeswehr. Aber die Bedenken gegen eine potenzielle Ausweitung der Militäroperationen, die Befürchtungen vor einer nicht mehr begrenzbaren Gewaltspirale, sogar die Kritik an einer fehlenden politischen Strategie für die Zeit nach den militärischen Aktionen - alles das hätte man überzeugender und wirksamer einbringen können, wenn man dabei gewesen wäre, anstatt vor der Türe zu stehen.

Die deutsche Haltung zu kritisieren, bedeutet allerdings nicht, deren Argumente nicht auch ernst zu nehmen. Ob die Operation über Libyen ein Erfolg wird, hängt nämlich in der Tat nicht nur davon ab, wie viele Flugplätze, Bombenlager oder Panzer der Gaddafi-Truppen zerstört werden. Entscheidend wird letztlich sein, ob man dem Selbstbestimmungsrecht des libyschen Volkes Raum schafft. Unter Umständen sogar so viel Raum, dass es eine dem Westen gar nicht dankbare Regierung wählen kann.

Genau genommen ist dies sogar der eigentliche Glaubwürdigkeitstest. Denn legitim kann die vom Westen angewandte Gewalt nur dann und nur so lange sein, bis Libyen wieder den Libyern gehört. Keinen Tag länger. Und dann mit allen Konsequenzen.

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