Kommentar zur Türkei Yücel-Urteil ist ein politisches Signal

Meinung | Istanbul · Der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel ist in der Türkei zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Das Urteil ist nicht nur ein Justizskandal sondern auch ein politisches Signal der türkischen Regierung, kommentiert unsere Autorin.

 Deniz Yücel ist in der Türkei in Abwesenheit zu einer Haftstrafe verurteilt worden.

Deniz Yücel ist in der Türkei in Abwesenheit zu einer Haftstrafe verurteilt worden.

Foto: dpa/Swen Pförtner

Das Urteil gegen Deniz Yücel ist nicht einfach ein Justizskandal – es ist ein politisches Signal der türkischen Regierung. Nach europäischen Rechtsnormen hätte der deutsch-türkische Journalist nie vor Gericht gestellt, geschweige denn ein Jahr lang inhaftiert werden dürfen. Dass Yücel jetzt trotzdem verurteilt und zusätzlich mit zwei neuen Ermittlungsverfahren belegt wurde, zeigt zwei Dinge. Erstens hat sich die Türkei in politischen Verfahren wie dem gegen Yücel endgültig von europäischen Standards verabschiedet. Zweitens liegt der Regierung in Ankara nichts daran, ihren Einfluss auf Richter und Staatsanwälte zu nutzen, um einen Neuanfang mit Berlin oder der EU zu suchen. Die Regierung hätte durch einen Fingerzeig an die Richter ohne Mühe eine versöhnliche Botschaft aussenden können. Doch die Türkei setzt im Innern wie im Äußeren auf Härte.

Richter und Staatsanwälte in der Türkei stehen unter der Kontrolle der Regierung. Besonders bei so prominenten Angeklagten wie Yücel werden die Urteile nicht den Richtern überlassen. Das Yücel-Urteil ist deshalb keine Sache der Justiz, sondern eine Angelegenheit der Regierung. Schon die Tatsache, dass der Fall überhaupt vor Gericht gekommen ist, spricht für den politischen Hintergrund. Dass bei der Urteilsverkündung neue Vorwürfe gegen den Angeklagten draufgepackt wurden, ist ein weiteres Zeichen dafür.

Die türkische Führung will an Yücel ein Exempel statuieren. Bei anderen deutschen Angeklagten wie dem Menschenrechtler Peter Steudtner entschärften die Richter die Kontroverse durch Freisprüche. Bei Yücel nicht. Vielleicht liegt es an der Vorverurteilung des Journalisten durch Präsident Erdogan. Vielleicht liegt es daran, dass der deutsch-türkische Doppelstaatler Yücel in Ankara als Türke gesehen wird, der sich gegen seinen Staat gestellt hat. Das merkwürdige Verhalten des Gerichts – bei der Verkündung des einen Urteils wird durch neue Vorwürfe gleich die Grundlage für das nächste gelegt – deutet jedenfalls darauf hin, dass der Staatspräsident den Fall Yücel persönlich nimmt.

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