Kommentar Zum Betreuungsgeld: Die Methode der CSU

Berlin · Man mag mit gutem Grund froh darüber sein, dass die Karlsruher Richter ein Gesetz gekippt haben, das allen Ernstes Geld für die Nicht-Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung ausgelobt hatte. Man darf auch begrüßen, dass nun möglicherweise weitere Mittel frei werden, um den Ausbau von Kita-Plätzen, aber auch den Aufbau von genügend Personal, voranzutreiben.

Inhaltlich ist das Urteil deshalb eine gute Nachricht. Aber es bringt in einer ohnehin heiklen Phase der großen Koalition weitere Unruhe in die Bundespolitik, die in ihren Auswirkungen nicht zu unterschätzen ist.

Natürlich ist die CSU das Zentrum dieser Unruhe. Das Ende des Betreuungsgeldes ist für sie eine schwere Schlappe, auch wenn die Richter sich nicht in den inhaltlichen Streit eingemischt haben. Und sie ist umso gravierender, als hier nicht irgendeine sachpolitische Maßnahme gekippt wurde, sondern eigentlich ein ganzer Politikstil. Statt politisch langen Linien zu folgen, versteifen sich die Christsozialen unter der Ägide von Horst Seehofer auf die Durchsetzung politisch letztlich unwichtiger, aber emotionaler und populistisch auszuschlachtender Prestigeprojekte. Das andere große Beispiel ist natürlich die Maut, der noch immer ein ähnliches Schicksal droht wie es dem Betreuungsgeld nun widerfahren ist.

Das ist zwar zweifellos ein Weg, wählerwirksame Sichtbarkeit herzustellen. Die Methode, die Politik als Trophäenjagd zu betreiben, ist allerdings nur eine Reaktion auf die wachsende bundespolitische Bedeutungslosigkeit der CSU. In der großen Koalition kommt es auf die Bayern nicht mehr an. Zwischen Kanzlerin und SPD-Chef werden die Grundzüge der Regierungspolitik ausgehandelt. Zentrale Politikfelder werden von der CSU ohnehin nicht mehr bespielt. So ist ihr Beitrag zur Euro-Rettungspolitik ein dröhnendes Schweigen. Das ist zwar verständlich, denn im Schatten der Kanzlerin lebt die CSU nicht so schlecht. Ihre Wahlergebnisse in Bayern stützen sich eben auch auf die Popularität Angela Merkels. Aber bundespolitisch führt das zum vernichtenden Eindruck, dass die CSU nichts mehr Wesentliches zu sagen hat.

Man kann klarmachen, worauf es der Partei auf lange Sicht ankommt. Man kann geduldig Kompetenzfelder aufbauen, mit dem die Partei identifiziert werden kann. Die Wirtschaftspolitik böte sich an. Bayern hat da viele bemerkenswerte Erfolge aufzuweisen, und die CDU vernachlässigt gerade dieses Feld in beschämender Weise. Aber dieser Weg erfordert Geduld und langen Atem.

Gerade auf dem Feld der Flüchtlingspolitik stehen schwierige Fragen an, und manche werden gegen Augenblicksmehrheiten im Volk zu klären sein. Das ist nicht einfach. Und es ist nicht jedermanns Sache.

Wer Horst Seehofer kennt, ahnt in welche Richtung dieser Hase laufen wird. Beruhigend ist das sicher nicht.

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