Kommentar Zum vierten WM-Titel- Respekt!

Am TV 35 Millionen Zuschauer, Deutschland im Freudentaumel, geglückter Griff nach dem vierten Stern. Es scheint in diesen Stunden kein Limit zu geben für Superlative. Denn seit Sonntag, 13. Juli, 23.36 Uhr hat Löws Mannschaft nicht nur sportlich ihre hochgesteckten Ziele erreicht.

Nein, es ist viel mehr passiert. Eine ganze Nation identifiziert sich mit diesem Sieg, wertet ihn als gerechten Lohn für viele Jahre harter Arbeit - auch außerhalb des grünen Rasens. Doch taugt der Fußball als Sinnbild dafür?

Optimistisch, aber realistisch und alles andere als überheblich war das Team um den Bundestrainer in das Turnier gestartet. Ebenso war die Stimmung bei den Fans in Deutschland. Titelgewinn ausgerechnet in Brasilien, in der Heimat der Ballkünstler, Ballzauberer? Ausgerechnet in den Tropen? Wird der Mix aus Stars und Wasserträgern in der deutschen Mannschaft das schaffen? Wirklich bereit wie nie?

Ja! Es musste allerdings viel passieren in den 24 Jahren seit dem letzten Titelgewinn bei der WM in Italien. 1990, nur wenige Monate vor der Einheit, sahen viele nach dem WM-Erfolg rosige Zeiten auf Deutschland zukommen. Sportlich glaubte man, auf Jahre den Weltfußball dominieren zu können. Politisch standen alle Zeichen auf Aufbruch, Kohls Versprechen "blühender Landschaften" im Osten sollte eingelöst werden. Aber es kam anders, weit schwieriger und anstrengender als gedacht.

Jetzt, im Jahr 2014, fügt sich alles zu einem stimmigen Ganzen. Spätestens seit der Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land haben wir ein gesundes Verhältnis zu nationaler Symbolik entwickelt. Gewiss, nicht jeder fährt mit Fähnchen am Auto durch die Gegend. Aber die anderen rümpfen zumindest nicht die Nase. Man ist entspannt, trägt Schwarz-Rot-Gold in Berlin und Bonn und freut sich. Dieses Land ist zusammen mit der Fußball-Nationalmannschaft erwachsen geworden. Man hat gemeinsam Rückschläge verdaut, Niederlagen ertragen und doch gefeiert.

Wollen wir nun, nach dem Finalsieg gegen Argentinien, bewundert werden, beneidet? Nein, die Mannschaft von und mit Joachim Löw hat etwas erreicht, das viel mehr wiegt: Respekt. Respekt für ein ehrliches, faires Spiel. Für unermüdlichen Einsatz. Und, das ist neu im Vergleich zu früheren Mannschaften und Titeln, Respekt für spielerische Qualitäten, für etwas Künstlerisches im vormals auf Taktik und Disziplin getrimmten Spiel.

Zwar sollten wir die Symbolik nicht überstrapazieren, denn letztlich ist Fußball (tatsächlich) nur ein Spiel, abhängig von mehr oder weniger glücklichen Begleitumständen. Doch für ein paar Augenblicke, für ein paar Tage ist es zulässig, den Triumph dieser sympathischen Nationalmannschaft eben als Sinnbild für Deutschland im Sommer 2014 zu sehen. Denn unser Land hat zurzeit einen Lauf. Ökonomisch und politisch gelingt längst nicht alles, aber vieles.

Wir werden immer noch nicht geliebt von unseren europäischen Nachbarn oder in der Welt, aber respektiert und akzeptiert. Schweinsteiger, Khedira, Özil oder Boateng haben dazu ihren Teil beigetragen. Eine Woche feiern wir mit den Jungs. Dann ist wieder Alltag. Gott sei Dank.