Kommentar zum russisch-türkischen Verhältnis Zweiter Krimkrieg

Moskau hat mit der Türkei einen alten Erzfeind neu entdeckt. Aber der Konflikt ist nur Teil eines politisch-militärischen Stellungskrieges, dessen Ende nicht absehbar ist. Die Türken waren einmal die Lieblingsfeinde der Russen.

"Trau keinem Weib, keinem Türken und keinem, der nicht trinkt!", predigte seinerzeit Peter der Große. Vom 16. Jahrhundert bis zum 1. Weltkrieg lieferte man sich zwölf Kriege, meist gewannen die Russen, eine Ausnahme war der Krimkrieg 1853 bis 1856, als Frankreich und Großbritannien dem Sultan mit einer Invasion der russischen Krim halfen, dort die Hafenfestung Sewastopol zu erobern.

Schon Zar Nikolai II. hatte das Osmanische Reich als "kranken Mann" verhöhnt, er begann den Krimkrieg mit dem Fernziel, der Türkei Konstantinopel abzuknöpfen, Franzosen und Briten wollten seinen Ehrgeiz stutzen. Jetzt ist die Feindlage viel verworrener. Putin und Kollege Recep Erdogan galten noch vor Kurzem als Spezis, verbunden durch gemeinsame AKW- und Gasröhrenprojekte sowie durch ihren autoritär-populistischen Regierungsstil. Gleichzeitig hat das Nato-Mitglied Türkei jetzt zumindest formal wieder den Westen im Rücken.

Ansonsten mischen beide Mächte eifrig im Syrienkrieg mit. Beide behaupten, sie bekämpften dort den terroristischen Islamischen Staat. Die Türken aber bombardieren vor allem kurdische Kämpfer der PKK, die Russen sunnitischen Rebellen, um ihrem syrischen Verbündeten Staatschef Baschar Assad zu stützen. Die Türkei wiederum würde Assad gern stürzen. Blutiges Wirrwarr.

Für die Heimpropaganda ist Putin jeder äußere Erzfeind willkommen, obwohl den Russen heute zur Türkei eher Strandbars bei Antalya einfallen als heroische Bajonettangriffe aus dem vorvorletzten Jahrhundert. Im internationalen Geschäft aber stört der Händel eher. Seit Monaten bietet sich Moskau eifrig dem Westen als potenter Verbündeter im Kampf gegen die IS-Gotteskrieger an. Die Kollision mit den Türken bestätigt nur die atlantischen Skeptiker, die die Russen von Anfang an eher als Unruhe- denn als Friedensstifter in Syrien verdächtigten. Und sie behindert die Bemühungen des Kreml, die andere Front vergessen zu machen. Denn diesmal ist die Türkei nur Nebengegner, seit März 2014 führt Russland seinen zweiten, sehr verdeckten Krimkrieg. Hauptschlachtfeld ist die Ukraine, die aber Rückendeckung des Westens bekommt.

In Syrien führen Russen und Franzosen Gespräche, um ihre Luftangriffe zu koordinieren. Trotzdem verlängerte die EU ihre Ukraine-Sanktionen gegen Moskau. Bitter angesichts der Wirtschaftskrise, in der Russland steckt. Das Moskauer Außenministerium aber schimpft routiniert verdrossen, Russland lasse sich davon in der Ukraine nicht von seiner grundsätzlichen Vorgehensweise abbringen. Mit anderen Worten: Wir bleiben im Donbass! Egal wie es in Syrien läuft.

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