Das "Heilige Jahr der Barmherzigkeit" Missionarischer Impuls

Rom · Papst Franziskus hat gestern im Vatikan ein außerordentliches Heiliges Jahr in der katholischen Kirche eingeweiht. Am Ende einer Messe auf dem Petersplatz vor etwa 70 000 Gläubigen öffnete der Papst die Heilige Pforte, die normalerweise nur alle 25 Jahre geöffnet wird. Das letzte Mal durchschritten Pilger die Heilige Pforte im Jahr 2000.

 Papst Franziskus öffnet im Vatikan die üblicherweise verschlossene Heilige Pforte.

Papst Franziskus öffnet im Vatikan die üblicherweise verschlossene Heilige Pforte.

Foto: DPA

Gestern war neben Franziskus auch der emeritierte, aus Deutschland stammende Papst Benedikt XVI. anwesend. Nachdem der amtierende Papst die Pforte geöffnet hatte und sie nach einem kurzen Gebet durchschritt, trat auch der 88-Jährige Josef Ratzinger, gestützt von Erzbischof Georg Gänswein, durch das normalerweise verschlossene Tor an der Nordfassade des Petersdoms.

Das außerordentliche Heilige Jahr, das bis zum 20. November 2016 dauert, ist dem Thema der Barmherzigkeit gewidmet und wurde am 50. Jahrestag des Endes des Zweiten Vatikanischen Konzils am 8. Dezember 1965 eingeweiht. In seiner Predigt auf dem Petersplatz erinnerte Franziskus an das Konzil, das unter dem Schlagwort "aggiornamento" (Erneuerung) frischen Wind in die katholische Kirche bringen sollte. "Es war ein neuer Aufbruch, um auf jeden Menschen dort zuzugehen, wo er lebt: in seiner Stadt, in seinem Haus, am Arbeitsplatz. Wo auch immer er sich befindet, da muss die Kirche ihn erreichen", sagte Franziskus. Das Heilige Jahr der Barmherzigkeit sei ein "missionarischer Impuls", der nach Jahrzehnten wieder aufgenommen werden solle.

Während der sogenannten Jubiläen in der katholischen Kirche sind die Gläubigen aufgerufen, bei einer Wallfahrt nach Rom die Heilige Pforte zu durchschreiten. Nach traditioneller Lehre erhalten die Pilger, wenn sie auch zur Beichte und zur Kommunion gegangen sind, dann einen besonderen Erlass ihrer Sünden. Franziskus betonte in diesem Zusammenhang den Vorrang der Gnade: "Wir müssen die Barmherzigkeit dem Gericht voranstellen, und in jedem Fall wird das Gericht Gottes immer im Licht seiner Barmherzigkeit stehen." In den kommenden Tagen sollen in verschiedenen Kirchen in den Diözesen in aller Welt Heilige Pforten geöffnet werden. Wie Radio Vatikan mitteilte, beriet der deutsche Regisseur Wim Wenders den Vatikan bei der Fernsehübertragung der Papstmesse. Am Abend folgte zum Abschluss der Eröffnung eine Lichtershow mit auf den Petersdom projizierten Fotos.

Wegen der Sorge vor Terroranschlägen fand die Messe auf dem Petersplatz unter extremen Sicherheitsvorkehrungen statt. Mehr als 2000 Polizisten und Soldaten waren im Einsatz. Die Pilger wurden vor Betreten des Platzes aufwändig durchsucht. Nach Angaben der Polizei waren auch 16 Scharfschützen positioniert. Über Rom war gestern eine Flugverbotszone eingerichtet worden. Wegen der Terrorangst reduzierte der Vatikan die Besucherprognose für das bis 20. November 2016 dauernde Heilige Jahr auf etwa zehn Millionen Pilger. Vor Monaten hieß es noch, über 30 Millionen Besucher würden während des Ereignisses nach Rom kommen.

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