Second-Hand-Läden in Bonn Mode aus zweiter Hand liegt im Trend

Bonn · Die Käufer von gebrauchter Ware standen lange im Ruf, nur aus Geldnot zu handeln.

Es ist selten still in dem kleinen, bunten Laden von Anja Ludwig. Ständig klingelt das Telefon, Kunden kommen zur Tür herein, um sich die fein säuberlich nach Farben und Größen geordneten Kleidungsstücke anzusehen oder um den Labrador-Jungen Leon zu streicheln und zu füttern, der unter dem Tresen des Verkaufsraumes döst.

Seit 14 Jahren führt Anja Ludwig den Second-Hand-Laden "Stiletto" in Bonn-Dottendorf. Sie trägt selbst häufig Kleidung aus zweiter Hand; an diesem grauen Nachmittag ist es ein schwarzer Pullover, aufgewertet mit goldenen Ohrringen und Armreifen. Auf die Kombination kommt es an, verrät sie, dann könne man aus jedem Kleidungsstück etwas Besonderes machen.

In Bonn, weiß sie zu berichten, hat es schon immer einen Markt für Gebrauchtes gegeben, immerhin handele es sich um eine Studentenstadt, und Studenten hätten meist weniger Geld zur Verfügung als Arbeitnehmer. "Ich komme oft her, weil es gut und günstig ist", erklärt eine von Ludwigs Kundinnen, während sie mit ausladender Geste auf die große Auswahl in dem Laden deutet.

Weg vom Schmuddelimage

Doch längst kommen die Käufer nicht mehr ausschließlich, weil es günstig ist. "Second-Hand zu kaufen hat heutzutage kein Schmuddelimage mehr", bestätigt Dominik Biergans vom Bonn Sustainability Portal. Der Trend, Gebrauchtes weiter zu benutzen und auch mal das Auto, das Fahrrad oder Lebensmittel miteinander zu teilen, nimmt von Jahr zu Jahr zu. Vor allem die unter 30-Jährigen, die sogenannte "Generation Y", achtet demnach auf einen ressourcenschonenden Umgang. Da sei es wichtiger, einen Gegenstand zu gebrauchen, als ihn zu besitzen.

Wer nur einmal in der Woche auf ein Auto angewiesen sei, könne es sich genauso gut mit Gleichgesinnten teilen. Auf diesem Prinzip basiert Carsharing, Foodsharing und eben auch der Second-Hand-Handel. Die Möglichkeiten, Gebrauchtes wieder zu verwerten, nehmen vor allem auch online zu. Mit Ebay begann dieser Trend 1999, heute boomen Apps wie Kleiderkreisel, shpock oder stuffle.

62,34 Milliarden Euro gaben die Deutschen im Jahr 2016 für Kleidung aus. Ein neuer Rekordwert, wenn auch kein Ausreißer im Vergleich zu den Vorjahren. Es ist trotzdem eine hohe Zahl, wenn man bedenkt, dass Kleidung in Läden wie Primark oder Kik oft weniger kostet als das Parkplatzticket für den Einkauf.

Für Anja Ludwig ist die Sache klar: "Die Menschen sind überfordert. Im Wochenrhythmus kommt neue Kleidung in die Geschäfte, die Auswahl ist rießig." Auch wenn sich die angebotenen Stücke im Allgemeinen recht ähnlich sähen, entstünde beim Kunde schnell der Eindruck, er müsse immer neue Jeans, T-Shirts und Pullover kaufen.

Entschleunigung im Second-Hand-Handel

Mit ihrem kleinen Second-Hand-Laden hält die Bonnerin dagegen. Sie wechselt ihre Auslage nicht, nur weil H&M das gerade getan hat. Sie ist auf das angewiesen, was andere Menschen nicht mehr haben wollen - das viel geliebte Kleidungsstück, das leider nicht mehr passt, der Fehlkauf von letzter Woche oder das T-Shirt, das ohnehin nur noch ganz hinten im Schrank hing.

Ludwig schaut sich jedes Stück einzeln an. Sauber und gepflegt müssen die Teile sein. Auch sollten sie nicht älter als drei Jahre, oder zumindest zeitlos sein, denn sonst, so weiß sie, will niemand die abgelegten Kleidungsstücke haben.

Auch Biergans begrüßt diesen Trend. Er selbst kauft auch gelegentlich aus zweiter Hand und begrüßt den doppelten Nutzen, der mit Second-Hand-Kleidung einhergeht. "So kommt man raus aus dem Rad der Modeindustrie", sagt er, und außerdem schone es Ressourcen.

Darüber hinaus sei es wichtig, auf eine faire Produktion zu achten. Der Trend zu Second Hand bringe der Umwelt nichts, wenn dafür immer mehr Kleidung gekauft würde. Diese kann ja in Second Hand Läden oder durch Apps wie Kleiderkreisel weiterverkauft werden, so der irrige Gedanke. Für Biergans überwiegen jedoch ganz klar die Vorteile.

Das sieht Anja Ludwig ähnlich, denn Nachhaltigkeit ist ihr wichtig, wie sie betont. Die Kleidung, die sie nicht verkaufen kann und die von den Kunden nicht wieder abgeholt wird, spendet sie für wohltätige Zwecke wie den Tierschutz Rhein-Sieg und den Verein Hundeherzen.

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