Analyse Neuer US-Kongress: Weiblicher, bunter, unbequemer für Trump

Washington · Der US-Kongress kommt erstmals in neuer Besetzung zusammen, deutlich weiblicher und bunter als früher. Das Repräsentantenhaus ist nun in der Hand der Demokraten. Für Präsident Trump ist das bitter. Der Streit rund um den "Shutdown" stimmt auf Turbulenzen ein.

Donald Trump bekommt es nun mit Nancy Pelosi zu tun. Die Frontfrau der Demokraten steht an diesem Donnerstag strahlend im Saal des Repräsentantenhauses und lässt sich von allen Seiten beglückwünschen.

Gerade haben die Abgeordneten sie zur neuen Vorsitzenden der Kammer gewählt - und damit zur mächtigsten Frau in der amerikanischen Politik und zur vorerst wichtigsten Gegenspielerin des US-Präsidenten. Pelosi musste bei ihrer Kandidatur zwar einigem Widerstand aus den eigenen Reihen trotzen, aber nun ist sie da, wo sie hinwollte. Und vor allem: Ab sofort haben die Demokraten das Sagen im Repräsentantenhaus. Für Trump wird das unbequem.

Eine Einstimmung auf das, was kommt, gab es für ihn bereits in den vergangenen Tagen. Der Start des neuen Kongresses ist überschattet von einem erbitterten Haushaltsstreit zwischen Trump und den Demokraten, und von einem teilweisen Stillstand der Regierungsgeschäfte. Das gibt einen Vorgeschmack auf die turbulenten Zeiten, die Trump in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit bevorstehen - mit einem geteilten Kongress.

Bei den Zwischenwahlen Anfang November hat sich einiges verschoben. Trumps Republikaner verteidigten zwar ihre Mehrheit im US-Senat und konnten dort noch ein paar Sitze hinzugewinnen. Sie verloren aber die Kontrolle im Repräsentantenhaus an die Demokraten. Für Trump ist das schmerzlich. Mit ihrer neuen Stärke in der Kammer können ihm die Demokraten das Leben schwer machen: Sie können Untersuchungen gegen ihn anstoßen, Gesetzesvorhaben blockieren, theoretisch sogar ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten einleiten. Allerdings würde letzteres wohl spätestens im republikanisch dominierten Senat scheitern. Dennoch: Für Trump wird es ungemütlicher.

An diesem Tag eins des neuen Kongresses ist schon morgens viel los am Kapitol. Viele Abgeordnete haben ihre Familien mitgebracht. Rausgeputzte Kinder sausen durch die Flure des Kongressgebäudes. Abgeordnete laufen durch die Gänge, manche mit nervösem Lächeln auf dem Gesicht. Für einige ist es der erste Tag im Abgeordnetenleben.

Vor allem im Repräsentantenhaus hat sich bei der Wahl einiges getan. Die neu gewählte Kammer ist deutlich weiblicher und bunter als früher. 102 Frauen sitzen nun dort - das entspricht fast einem Viertel aller Abgeordneten, mehr als je zuvor. 89 der Frauen gehören zu den Demokraten, nur 13 zu den Republikanern. In den Reihen der Demokraten haben sich viele progressive Kandidaten durchgesetzt. Alexandria Ocasio-Cortez etwa, die Newcomerin aus New York, die mit 29 Jahren als jüngste Frau überhaupt den Einzug in die Kammer geschafft hat. Erstmals sitzen auch muslimische Frauen und weibliche Nachfahren von Ureinwohnern in der Kammer.

Die neue Vielfalt ist im Saal des Repräsentantenhauses erkennbar. In den Reihen der Republikaner sitzen besonders viele mittelalte Herren in dunklen Anzügen. Die Reihen der Demokraten sehen deutlich bunter aus, mit weiblichen Abgeordneten in knalligen Kleidern. Einige Abgeordnete haben auch ihre Kinder mit in den Saal gebracht, einer schuckelt sein Baby im Arm.

Als Marcy Kaptur anfing, war noch alles anders. Die 72-Jährige sitzt seit 1983 in der Kammer des US-Kongresses, seit 35 Jahren also. Damit ist sie die dienstälteste Abgeordnete in der Geschichte des Repräsentantenhauses. Die Demokratin startet an diesem Tag in ihre 19. Wahlperiode. Als Kaptur 1983 ihren ersten Tag hatte, sah es weit weniger bunt aus in der Kammer. "Damals saßen nur etwa zwei Dutzend Frauen im Repräsentantenhaus", berichtet die Abgeordnete aus Ohio. "Der Altersdurchschnitt lag zu der Zeit bei über 60, ich war 36." Dass die Kammer nun weiblicher und bunter ist, vor allem bei den Demokraten, bringe viel Energie und neue Stimmen ins Haus, sagt sie.

In Zeiten eines Präsidenten Trump sei das besonders wichtig. Insgesamt habe sie einen Politikstil wie bei Trump noch nie zuvor in ihrer langen politischen Karriere erlebt. "Es gibt keine Stabilität in der Regierung", klagt Kaptur. "Das ist gefährlich für unser Land."

Ein Hauch Instabilität ist dieser Tage anschaulich zu beobachten. Seit kurz vor Weihnachten steht ein Viertel des US-Regierungsapparats weitgehend still, weil für mehrere Ministerien nicht rechtzeitig ein neuer Haushalt beschlossen wurde. Hintergrund ist ein erbitterter Streit zwischen Trump und den Demokraten über die Finanzierung einer Mauer an der Grenze zu Mexiko.

Hunderttausende Regierungsbedienstete müssen wegen des "Shutdowns" vorerst unbezahlten Zwangsurlaub machen oder ohne Gehalt weiterarbeiten. Museen machen zu, in Nationalparks laufen Mülleimer über, in Ämtern bleiben Anträge liegen. Bei der Bevölkerung, vor allem bei Regierungsangestellten, sorgt das für zunehmenden Frust.

Den Demokraten verhagelt der "Shutdown" etwas den Start in die neue Kongress-Periode. Sie hatten andere Themen nach vorne stellen wollen. Sie versuchen nun zwar, sich als Retter der Nation darzustellen, als ordnende Kraft in einem zunehmend chaotischen Washington. Pelosi kündigte bereits vorab an, gleich am ersten Tag des neuen Kongresses eine Gesetzesvorlage für einen Haushalt abstimmen zu lassen. Doch die Milliarden Dollar, die Trump für seine Grenzmauer fordert, sind darin nicht vorgesehen. Das Weiße Haus hat den Entwurf deshalb als untauglich abgetan. Ob Trump sich noch bewegt, ist fraglich.

Klar ist: Je länger der "Shutdown" dauert, umso größer auch das Risiko für die Demokraten, den Groll der Bürger abzukommen. Mit der neuen Macht im Repräsentantenhaus ist es für sie auch so eine Sache. Sie können Trump und seine Regierung nun zwar piesacken. Aber auch hier besteht die Gefahr, in der Bevölkerung Unmut auszulösen und vor der nächsten Präsidentschaftswahl 2020 als Blockierer dazustehen. Die Demokraten müssen die Balance finden. Das wird Pelosis Job sein.