EU warnt Ankara Neuer Zwischenfall mit türkischem Boot im Mittelmeer

Im östlichen Mittelmeer und in der Ägäis braut sich entlang eines gut tausend Kilometer langen Meeresabschnitts etwas zusammen. Verwickelt sind die Türkei und die EU-Staaten Zypern und Griechenland.

 Ein Schiff der türkischen Küstenwache in der Ägäis. Ankara und Athen streiten seit Jahrzehnten um Hoheitsrechte in der Ägäis.

Ein Schiff der türkischen Küstenwache in der Ägäis. Ankara und Athen streiten seit Jahrzehnten um Hoheitsrechte in der Ägäis.

Foto: John Macdougall, AFP/Archiv

Säbelrasseln von Zypern bis in die Ägäis: Türkische Kriegsschiffe haben am Dienstag noch immer ein vom italienischen Energieunternehmen ENI gemietetes Bohrschiff daran gehindert, ein Erkundungsgebiet südöstlich der Hafenstadt Larnaka zu erreichen.

Dort werden reiche Erdgasfelder vermutet. Warnungen der EU und Aufrufe zur Zurückhaltung zeigten zunächst keine Wirkung. Im Gegenteil: Es kam zu einem Zwischenfall in der Ägäis. Dort rammte ein türkisches Patrouillenboot ein Boot der griechischen Küstenwache.

Die EU rief Ankara auf, von jeglichen Handlungen Abstand zu nehmen, die die gute Nachbarschaft gefährden könnten, wie der Sprecher von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel sagte. Die Türkei habe die Souveränität der EU-Staaten über deren Hoheitsgewässer und deren Luftraum zu respektieren. Das gerammte und beschädigte griechische Schiff war durch Gelder der Europäischen Grenz- und Küstenwache kofinanziert worden. Dies mache den Zwischenfall auch für den europäischen Steuerzahler relevant, sagte der Sprecher.

Nach griechischen Angaben hatte das betroffene Boot 28,8 Millionen Euro gekostet. 75 Prozent davon waren aus Fonds für den Schutz der Grenzen der EU gezahlt worden. Das gerammte Boot erreichte nach Medienberichten aus eigener Kraft die griechische Insel Leros. Athen bestellte den türkischen Botschafter ins Außenministerium ein und legte scharfen Protest ein. "Die Türkei setzt Menschenleben Gefahren aus", erklärte das griechische Außenministerium weiter.

"Im Moment beobachten unsere Kriegsschiffe, Luftstreitkräfte und andere Sicherheitseinheiten die Entwicklungen in der Region sehr genau, mit der Befugnis, wenn nötig, jede Art von Eingriff zu unternehmen", sagte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan vor seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP in Ankara.

Der Zwischenfall in der Ägäis ereignete sich in der Nacht zum Dienstag in der Nähe der umstrittenen Felseninseln Imia (türkisch: Kardak). Es seien Schäden am Heck des griechischen Bootes entstanden; es sei aber keines der 27 Besatzungsmitglieder verletzt worden, teilte die griechische Küstenwache mit.

Der griechische Regierungssprecher Dimitris Tzanakopoulos bestätigte den Zwischenfall. In letzter Zeit gebe es rund um die Türkei eine allgemeine Destabilisierung. "Und das Nachbarland trägt mit seinem Verhalten nicht dazu bei, die Turbulenzen zu überwinden. Ganz im Gegenteil", sagte er einem griechischen Nachrichtensender. Der griechische Außenminister Nikos Kotzias charakterisiert die Türkei seit Monaten als eine "nervöse Macht".

Die Nachbarstaaten streiten sich neben der Zypern-Frage seit Jahrzehnten auch um Hoheitsrechte in der Ägäis. 1996 hatte der Streit um die unbewohnten Felseninseln die beiden Nato-Staaten an den Rand eines Krieges gebracht. Ein bewaffneter Konflikt konnte im letzten Moment nach einer diplomatischen Intervention der USA abgewendet werden. Danach bemühten sich Athen und Ankara um Entspannung.

Am Rande des Außenministertreffens der internationalen Anti-IS-Koalition in Kuwait kam der italienische Außenminister Angelino Alfano mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu zusammen. Italien erwarte, dass in dem Konflikt eine "gemeinsame Lösung im Einklang mit dem Völkerrecht und den Interessen sowohl von ENI, den Ländern in der Region als auch mit den beiden zyprischen Gemeinschaften" gefunden werde, teilte das Außenministerium in Rom mit.

Bereits am Montag hatte der EU-Ratspräsident Donald Tusk die Türkei aufgefordert, die seit Freitag andauernde Blockade vor Zypern aufzugeben und die territoriale Souveränität dieses EU-Landes zu achten.

Ankara erkennt das EU-Land Zypern nicht an. Solange es keine Lösung der Zypern-Frage gibt, dürfen nach Ansicht Ankaras keine Forschungen ohne Zustimmung der türkischen Zyprer stattfinden. Die drittgrößte Mittelmeerinsel ist seit 1974 geteilt. Im Norden gibt es die nur von der Türkei anerkannte Türkische Republik Nordzypern. Die gesamte Inselrepublik ist seit 2004 EU-Mitglied. Die Regierung in Nikosia kontrolliert aber nur den Südteil der Insel.

Diplomaten in Athen äußern sich besorgt: Zwischenfälle ähnlicher Art wie die von heute und die Blockade vor Zypern könnten eine größere Krise in der Region auslösen.

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