Sänger der Toten Hosen im Interview Campino: Ich gehe vielen auf die Nerven

Bonn · Der Sänger von den Toten Hosen, Campino, spricht über seine politische Haltung und sein spezielles Verhältnis zur Kanzlerin. Auch über andere Politiker hat der Musiker ein deutliches Wort zu sagen.

 Gesicht und Stimme der Toten Hosen: Der Sänger Campino. FOTO: DPA/PA

Gesicht und Stimme der Toten Hosen: Der Sänger Campino. FOTO: DPA/PA

Foto: picture alliance / Britta Peders

Wann schlafen Sie nach Konzerten eigentlich ein?

Campino: Zwischen drei und vier Uhr morgens versuche ich, die Augen zuzumachen. Ich stelle alle Telefone aus und schlafe so lange, wie mein Körper es braucht. Das klappt nicht immer. Aber nach einer guten Nacht wache ich mittags um ein Uhr auf, dann startet für mich der Tag.

Elvis fand die Ruhe nach Konzerten grausam.

Campino: Mich stört sie überhaupt nicht. Ich bin aber auch schon ein bisschen älter als Elvis. Ich gucke mir zu Hause oft noch einen Film an, oder ich lege ganz leise Musik auf.

Welche Musik?

Campino: Sehr viel Beatles. Das läuft dann ganz leise. Ich erahne die Musik mehr, als dass ich sie tatsächlich höre. Aber weil die Lieder mir so bekannt sind, macht das nichts und beruhigt mich total. Arvo Pärt ist für mich auch so ein Einschlaf-Garant. Seine Musik ist gut gegen das Klingeln im Ohr, das ich nach Konzerten oft habe.

Ihr Sohn ist 13. Hört er Hip-Hop?

Campino: Ja. Er ist auch ein guter Skater geworden und fährt auf den größten Pipes. Er rappt auch für sich selbst und schreibt Texte. Das macht mir viel Freude.

Sie haben an Angela Merkel appelliert, sie möge durchhalten.

Campino: Ein direkter Appell war das nicht, vielmehr ein herausgerissener Nebensatz aus einem Interview. Viele Leute haben Freude daran, mich als Merkel-Freund darzustellen. In meiner Wunschwelt allerdings wäre der Kanzler oder die Kanzlerin jemand von den Grünen. Seit Anfang der 80er Jahre wähle ich nichts anderes. Ich könnte mir auch nicht vorstellen, mein Kreuz bei der CDU zu machen. Aber wenn es um die Kanzlerfrage geht, setze ich mich hin und überlege, wie die machbaren Optionen aussehen.

Da sind Sie dann Realist?

Campino: Die Grünen werden den Kanzler auf absehbare Zeit nicht stellen. Also geht es für mich um die Vermeidung des Schlimmsten. Ich sehe bei den meisten Parteien keine Person, mit der ich mich wirklich wohlfühlen würde. Und von daher fände ich es gut, wenn Merkel sich noch mal in den Ring begibt.

Was schätzen Sie an ihr?

Campino: Sie steht außenpolitisch für Stabilität. Bei den ganzen Egomanen, die in der Welt regieren, kann sie sich als Frau mit anderen Mitteln den Problemen stellen als Männer wie Martin Schulz, der am verlorenen Wahlabend wie eine beleidigte Leberwurst kategorisch die Zusammenarbeit in einer Regierung ausschließt.

Sie mögen ihn nicht?

Campino: Für die wirklich schwierigen Themen ist dieser Mann anscheinend nicht zu gebrauchen. Wir Bundesbürger sind zur Wahl gegangen und haben angekreuzt, wer unserer Meinung nach das Land führen soll. Eine Partei, die aber nicht wirklich mitmachen und regieren will, die brauche ich auch nicht zu wählen. Das gilt auch für die FDP. Wenn wir vergessen haben sollten, warum die FDP vor vier Jahren noch auf dem Friedhof gelandet ist, dann hat uns diese Partei nun wieder bestens in Erinnerung gebracht, warum man sie gut und gerne vergessen kann.

Sie vermissen Politiker, die Verantwortung übernehmen?

Campino: Es kann nicht sein, dass wir nur Sonnenschein-Politiker haben, die allein dann in die Verantwortung gehen, wenn ihnen die Konstellation passt. Alle Menschen müssen mit dem Wahlergebnis klarkommen und akzeptieren, wie die Mehrheitsverhältnisse in diesem Land aussehen.

Was sollten die Politiker tun?

Campino: Sie sollten sich zusammenraufen und sagen: ,Wir haben uns das anders vorgestellt, aber das ist nun mal die aktuelle Situation, und daraus machen wir das Beste.’ Das machen wir Bürger ja auch jeden Tag. In diesem Zusammenhang haben sich viele Politiker dermaßen blamiert, das ist für mich die große Enttäuschung. Ich will anderen Menschen nicht vorpredigen, wen sie wählen sollen. Aber ich muss sagen, dass mir die Vertreter der Grünen in den Koalitionsverhandlungen der letzten Wochen sehr gefallen haben. Sie waren bereit, von gewissen Grundsätzen abzuweichen und Kompromisse zu machen. Das drückt für mich Reife aus.

Das Magazin „Cicero“ wirft Ihnen „pseudopolitische Naivität“ vor.

Campino: Damit muss ich leben. Ich kenne diese Versuche auch von Leuten aus der rechten Ecke, mir vorzuwerfen, dass ich ein großer Merkel-Jünger sei.

Welches Interesse steckt dahinter?

Campino: Man will mir eine politische Kehrtwende unterstellen, mich diskreditieren, mundtot machen.

Warum?

Campino: Ich glaube, ich gehe vielen Leuten unheimlich auf die Nerven.

Wie regieren Sie darauf?

Campino: Gar nicht.

Verrat an der eigenen Sache – das müssen Sie sich häufig anhören.

Campino: Aber nur von Leuten, die eh noch nie etwas mit uns anfangen konnten. Man muss sich doch nur mal unsere aktuellen Lieder anhören: ,Europa’ oder ,Im Gegenwind der Zeit’. Das ist politisch gesehen kein bisschen anders als das, was wir früher bei ,Willkommen in Deutschland’ gemacht haben. Ich muss mich also definitiv nicht für meine politischen Aussagen der letzten Zeit rechtfertigen.

Der Satiriker Jan Böhmermann hat Sie oft böse aufs Korn genommen. Haben Sie seine Ausstellung in Düsseldorf gesehen?

Campino: Nein.

Wollen Sie sie noch sehen?

Campino: Wenn ich aktuell ins Museum ginge, interessierten mich andere Ausstellungen deutlich mehr. Aber wir sind ja auf Tournee und haben kaum Zeit für solche Dinge.

Konzerte Die Toten Hosen treten am 29. und 30. Dezember in Düsseldorf auf und am 24. und 25. Mai 2018 in Essen. Für Essen gibt es noch Restkarten.

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