Bonner Medienkongress "Da ist das Internet ein Gottesgeschenk"

Seit dem vergangenen Jahr ist Peter Limbourg Intendant der Deutschen Welle. Seitdem hat er ehrgeizige Ziele für die Zukunft des deutschen Auslandssenders, der aus Bonn und Berlin sendet, formuliert und eingeleitet. Am Montag eröffnet er das siebte Global Media Forum (GMF). Mit ihm sprach Lutz Warkalla.

Ihr Vorgänger Erik Bettermann wollte mit dem Global Media Forum Bonn zum Davos am Rhein für die Medien machen. Halten Sie an diesem Kurs fest?
Peter Limbourg: Ich glaube, so weit sind wir noch nicht. Aber das Ziel ist schon richtig. Wir wollen zu einem der wichtigsten Medientreffen weltweit werden. International ist das GMF schon sehr bekannt, national noch nicht genug. In diesem Jahr geht es uns deshalb darum zu zeigen, dass das GMF auch wichtig für Deutschland ist.

Wie wollen Sie das machen?
Limbourg: Indem wir prominente Persönlichkeiten aus Deutschland einladen und einbinden. Zum Beispiel sind Mathias Döpfner, der CEO von Springer, und RTL-Chefredakteur Peter Kloeppel dabei, bekannte Journalisten wie Stefan Kornelius (Süddeutsche Zeitung) und aus der Politik Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und Entwicklungsminister Gerd Müller.

Das GMF findet jetzt zum siebten Mal statt. Was ist der Schwerpunkt, was sind die Highlights in diesem Jahr?
Limbourg: Der Schwerpunkt in diesem Jahr ist Partizipation, digital und real, und wie man sie erreicht: Wie weit geht sie, ist sie nützlich, wo liegen die Gefahren? Und natürlich geht es um aktuelle Fragen - von der Ukraine über Google bis zur NSA.

Das Zusammenwachsen von Internet und klassischen Medien spielt eine große Rolle nicht nur beim GMF, sondern auch für die DW allgemein. Die NSA-Affäre, die Berichte über Internetkriminalität, offenbaren aber auch die Risiken, die damit einhergehen. Was bedeutet das für die Zukunft?
Limbourg: Unser Geschäft als Deutsche Welle ist, Informationen zu verbreiten, und da wollen wir die Chancen des Internets künftig noch stärker nutzen. Also die Möglichkeiten, die es bietet, zu mehr an relevanter Information zu kommen, sich als Nutzer einzubringen, an öffentlichen Diskussionen teilzuhaben. Das ist gerade für die Deutsche Welle wichtig, weil wir über eine Klientel verfügen, deren Wunsch es ist, in einen Dialog einzutreten, dass es ein Geben und Nehmen ist. Und dafür ist das Internet sozusagen ein Gottesgeschenk.

Die grenzenlose Freiheit von Internet und Bloggern und verantwortlicher, auch von ethischen Grundsätzen geprägter Journalismus sind ja nicht unbedingt kompatibel. Ist es wirklich erstrebenswert, wenn die Grenzen zwischen beidem verschwimmen?
Limbourg: Das ist ja nicht unser Ziel. Nach wie vor gilt: Die Deutsche Welle ist eine Marke, die für hochwertigen, sauber recherchierten Journalismus steht. Entscheidend ist, dass wir diese Marke weiter pflegen und zugleich öffnen. Im Internet gibt es gute Blogger und schlechte Blogger, es gibt Fehlinformationen und gestreuten Mist, es gibt Beleidigungen und Pöbeleien, aber das darf uns nicht davon abhalten, den Dialog mit unseren Nutzern aufzunehmen. Bei uns gilt deshalb der Grundsatz: Wer mitdiskutieren möchte, muss sich anmelden und seinen richtigen Namen nennen.

Einer ihrer Stars auf dieser Konferenz, der ägyptische Politik-Satiriker Bassem Youssef, ist verstummt - aus Angst um seine Sicherheit. Eine Ausnahme? Oder wachsen die Repressionen gegen kritische Journalisten?
Limbourg: Sie wachsen, das muss man leider sagen. Ob das in Russland ist, in China, in Ägypten oder in der Türkei - im Moment ist der Trend leider dahingehend, dass Druck auf unliebsame Journalisten gemacht wird.

"Die Zukunft der Medien und die Rolle der Auslandssender" ist das Thema der Auftaktveranstaltung. Wohin steuert die Deutsche Welle?
Limbourg: Die Deutsche Welle versucht, sich künftig noch besser dem internationalen Markt zu öffnen, sich noch stärker auf Menschen im Ausland auszurichten, die sich für Deutschland interessieren. Und die meisten von ihnen sprechen nun mal Englisch. Wir müssen deshalb in Zukunft Englisch und unsere anderen großen Fremdsprachen stärken, um möglichst viele Menschen erreichen zu können. Wir wollen in diesem Jahre die Voraussetzungen schaffen, um dann im April 2015 einen konkurrenzfähigen englischsprachigen Fernsehkanal zu starten. Er wird auch digitale Elemente haben, die es ermöglichen, uns von den Mitbewerbern etwas abzusetzen. Da wird es sehr viel Liveberichterstattung über Politik und Kultur geben.

Im internationalen Konzert der Auslandssender war Deutsch bisher ein Alleinstellungsmerkmal der Deutschen Welle. Ihre Fokussierung auf das Englische stößt deshalb auch auf Kritik. Wie gehen Sie damit um?
Limbourg: Ich halte diese Kritik für unberechtigt. Wir senden ja künftig nicht nur auf Englisch. Wir behalten weiter 30 Sprachen im Angebot - und dazu gehört nach wie vor Deutsch. Wir haben außer Deutsch weitere Alleinstellungsmerkmale: unsere Regionalkompetenz, unsere Vielfalt. Aber wir stufen in unserem Sprachangebot künftig stärker ab. Bis zu zwei Milliarden Menschen auf der Welt sprechen Englisch, da wäre es fahrlässig, alle Sprachen gleich zu behandeln oder sich in die Nische zurückzuziehen. Das ist nicht mein Ansatz.

Was bedeuten die Pläne für den Standort Bonn? Was genau wird künftig hier produziert?
Limbourg: Hier werden weiter viele regionale Sprachangebote für Radio und Internet produziert, außerdem Fernseh-Inhalte. So wird das neue TV-Europamagazin hier gemacht, ebenso wie Elemente für den neuen englischsprachigen TV-Kanal, die sich mit Social Media und Internet befassen. Das bedeutet: Der Standort Bonn bleibt für die Deutsche Welle so wichtig wie bisher auch.

Welche Rolle spielt künftig das Radio für den Sender?
Limbourg: Die Kurzwelle hat immer weniger Bedeutung. Das Medium Radio an sich aber sollten wir weiter hegen und pflegen und da, wo wir können, es möglicherweise auch wieder ein Stück ausbauen. Das hängt auch von den Finanzen ab. Aber mit Radio erreicht man nach wie vor sehr viele Menschen.

Wo wir beim Geld sind: Reicht die Finanzausstattung, um - wie Sie beabsichtigen - im Konzert der wichtigsten Auslandssender vorne mitzumischen?
Limbourg: Journalistisch haben wir überhaupt kein Problem, da mitzuhalten. Mit der Unterstützung von ARD-Landesrundfunkanstalten und ZDF haben wir ein schlagkräftiges Angebot, das auch im Ausland hoch angesehen ist. Wir müssen dieses Angebot inhaltlich, optisch und technisch weiter verbessern. Dazu haben uns Bundesregierung und Bundestag jetzt die Möglichkeiten gegeben: Zum ersten Mal seit Jahren wird 2014 unser Etat substanziell erhöht - um zehn Millionen Euro. Das ist ein überaus erfreuliches Ergebnis und Ausdruck wachsender Unterstützung der Deutschen Welle durch die Politik. Das schafft eine wesentliche Voraussetzung für unser Ziel, die Deutsche Welle als globalen Informationsanbieter aus Deutschland zu positionieren und international wettbewerbsfähiger zu machen. Die Einsicht wächst, dass man in diesen Zeiten, in denen internationale Krisen zunehmen und sehr viel Propaganda gemacht wird, den Auslandsrundfunk nicht dahindämmern lassen sollte.

Sie haben seit ihrem Amtsantritt im Oktober 2013 die Führungsspitze kräftig durcheinandergewirbelt. Wird es Stellenstreichungen geben?
Limbourg: Wir haben betriebsbedingte Kündigungen in Bonn und Berlin ausgeschlossen. Im Einzelfall kann es aber bei den freien Mitarbeitern nicht ausgeschlossen werden, dass es zu Veränderungen kommt.

Zur Person

Peter Limbourg wurde 1960 in Bonn als Sohn eines Diplomaten geboren, wuchs in Rom, Paris, Athen und Brüssel auf. Limbourg studierte in Bonn Jura, volontierte bei der Deutschen Fernsehnachrichten Agentur und kam über Sat.1 und ProSieben zum Nachrichtensender N24, wo er Chefredakteur wurde. 2008 wurde er zum Hauptmoderator der Sat.1 Nachrichten berufen. Von 2010 bis Anfang 2013 war er Informationsdirektor von ProSiebenSat.1. Peter Limbourg ist verheiratet und hat drei Kinder.

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