Interview mit Khaled Hosseini Der Schriftsteller über seinen Roman "Traumsammler" und Afghanistan

Mailand · Der amerikanische Schriftsteller Khaled Hosseini hat auch mit seinem dritten Roman "Traumsammler" in zahlreichen Ländern einen Bestseller gelandet.

 Khaled Hosseini beim Interview in Mailand: "Meine Romane sind Liebesgeschichten, allerdings keine im romantischen Sinne"

Khaled Hosseini beim Interview in Mailand: "Meine Romane sind Liebesgeschichten, allerdings keine im romantischen Sinne"

Foto: Hanns-Jochen Kaffsack

Khaled Hosseini (48) schwimmt ganz oben auf der internationalen Erfolgwelle. Der amerikanische Schriftsteller, der 1965 in Kabul geboren wurde, hat erneut einen Bestseller gelandet. Im Gespräch mit dem GA erklärt der gelernte Arzt, was ihn antreibt - und welche Zukunft er für sein geliebtes Heimatland Afghanistan sieht.

Herr Hosseini, wie wie kamen Sie darauf, den Roman "Traumsammler" über die Geschwister Pari und Abdullah zu schreiben?
Khaled Hosseini: Angefangen hat es mit einer Nachricht, die ich im Internet gelesen hatte. Es ging darum, dass verarmte Familien ihre Kinder an reiche Leute in Kabul verkaufen mussten, weil sie nicht mehr für sie sorgen konnten. Diese Vorstellung fand ich unglaublich. Das erste Kapitel war eigentlich eine Kurzgeschichte, führte aber zum nächsten und so fort. Die Kapitel reihten sich aneinander, und jedes war einer anderen Figur gewidmet, deren Leben mit dem der beiden Kinder in meinem Buch verbunden war.

Sie leben in Kalifornien. Sind Sie auch nach diesem dritten Roman ihrem Land Afghanistan noch so nahe wie bei "Drachenläufer", Ihrem Bestseller von 2003?
Hosseini: Mehr noch sogar, denn ich bin mit meiner humanitären Stiftung dort engagiert. So konnte ich oft nach Afghanistan reisen, das Land ist immer noch ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich bin kein Einheimischer, versuche also, die Realität zu verstehen.

Was bedeutet das?
Hosseini: Ich bin immer vorsichtig genug, mich nicht als Kenner darzustellen. Ich kenne das Land so, wie es jemand kennen kann, der nicht dort lebt.

Hat der ungeheure internationale Erfolg Ihr Leben auf den Kopf gestellt?
Hosseini: Es hat sich viel für mich verändert. Ich wollte immer Schriftsteller werden, schon als Junge, während doch alle Kinder Astronauten oder Cops sein wollten. Und plötzlich, irgendwie unerwartet, erfüllte sich mein Traum in meinen mittleren Jahren. Es war eine erstaunliche Veränderung.

Wie lässt sich dieser umwerfende Erfolg erklären?
Hosseini: Das habe ich mich selbst auch oft gefragt. Ich denke, meine Bücher sind zutiefst emotional. Auch wenn sie in Afghanistan spielen und es um dortige Probleme geht, gibt es in ihnen Parallelen zu den anderen Kulturen und zu jedermanns Leben. Universelle Elemente sind das, die Idee von Loyalität, Liebe, Freundschaft, Moral und Familie.

Sind Sie ein "Botschafter" Afghanistans, der uns dieses problembeladene Land erklärt?
Hosseini: Bei diesem "Label" des Botschafters oder der "Stimme" Afghanistans bin ich sehr vorsichtig. Es kann eine Last für einen Autor sein, vor allem, wenn er, wie ich, seit Jahrzehnten in dem Land nicht mehr lebt. Vermächtnis ist ein großes Wort, aber vielleicht kann man später sagen, ich hätte Afghanistan ins Zentrum des allgemeinen Interesses gebracht.

Wie geht es weiter mit dem Afghanistan?
Hosseini: Es steht eine Übergangsperiode an, mit dem Abzug der internationalen Truppen 2014 und den Wahlen. Die nächsten fünf bis zehn Jahre werden sehr schwierig. Man muss den Berg der Herausforderungen sehen. Das Land braucht eine neue Generation, die nicht mit Krieg aufgewachsen ist.

Hilft den Afghanen dabei der große Familienzusammenhalt? Familie spielt doch eine entscheidende Rolle in Ihren Romanen.
Hosseini: Alle drei Bücher sind Familiengeschichten. Das ist so ein natürlicher Dreh in meinen Romanen, obwohl ich nie vorhatte, über Familie zu schreiben. Jetzt mag ich es, über Eltern und Kinder zu schreiben, über ihre Konflikte, wie sie sich lieben und verletzen, einander hassen und doch zu Hilfe kommen. Familie ist in meinem Leben etwas ganz Zentrales, unter Afghanen wird man nicht als ein Individuum verstanden, sondern als der Teil eines größeren Ganzen.

Im "Traumsammler" ist es diese herzergreifende Verbindung der beiden Geschwister. Es erscheint wie eine ganz spezielle Love Story.
Hosseini: Meine Romane sind Liebesgeschichten, allerdings keine im romantischen Sinne. Liebesgeschichten interessieren mich, wenn sie in der Familie spielen oder sehr seltsame Beziehungen sind. Und Geschwister gehören zu einer Familie, sie teilen die sehr intensiven Erfahrungen während ihrer Kindheit, teilen Geheimnisse. Erwachsene sind so oft davon geprägt. Von Liebe, Neid und Eifersucht, all den Emotionen ihrer Kindheit, ob gut, traurig, tragisch oder glücklich.

Khaled Hosseini

Der Autor

Khaled Hosseini kommt am 4. März in der afghanischen Hauptstadt Kabul zur Welt. Sein Vater arbeitet im Außenministerium, die Mutter ist Lehrerin. Von 1970 bis 1973 lebt die Familie in Teheran. 1976 zieht sie nach Paris, wo der Vater in der afghanischen Botschaft arbeitet. Bedingt durch die sowjetische Intervention in Afghanistan beantragt die Familie politisches Asyl in den USA und lässt sich in Kalifornien nieder.

Khaled Hosseini studiert Medizin in San Diego, ab 1996 arbeitet er als Internist. Im Jahr 2003 erscheint sein erster Roman "Drachenläufer", 2007 das Nachfolgewerk "Tausend strahlende Sonnen". Hosseini ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Das Buch

In "Traumsammler" erzählt Hosseini die Geschichte zweier Geschwister aus einem afghanischen Dorf. Pari ist drei Jahre alt, ihr Bruder Abdullah zehn, als der Vater sie auf einem Fußmarsch quer durch die Wüste nach Kabul bringt. Doch am Ende der Reise wartet nicht das Paradies, sondern die Trennung der beiden Geschwister, die ihr Leben für immer verändern wird.

Verlag S. Fischer, 19,99 Euro.

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