Kampfansage an Platzhirsche 1&1 Drillisch will Netzbetreiber werden

Montabaur · Der Telekommunikationskonzern United Internet ist ein rotes Tuch für seine Konkurrenten am deutschen Mobilfunkmarkt - mit einer Niedrigpreis-Strategie setzt die Firma den Platzhirschen zu. Nun fällt das Unternehmen eine wegweisende Entscheidung.

 Ein in Firmenschild an einem Gebäude von United Internet auf dem Gelände des Tochter- und Internetunternehmens 1&1.

Ein in Firmenschild an einem Gebäude von United Internet auf dem Gelände des Tochter- und Internetunternehmens 1&1.

Foto: Thomas Frey

Die großen Mobilfunk-Netzbetreiber bekommen bei der im Frühjahr anstehenden 5G-Frequenzversteigerung neue Konkurrenz. United Internet (web.de, GMX) werde mit seiner Tochter 1&1 Drillisch an der Auktion für den ultraschnellen Mobilfunkstandard teilnehmen, kündigte der Online-Konzern an.

Man sei zuversichtlich, dass dies ein Schritt sei "für eine erfolgreiche und dauerhafte Positionierung der 1&1 Drillisch Gruppe als vierter Mobilfunknetzbetreiber in Deutschland".

Die Pläne des Internet-Konzerns waren bei den Netzbetreibern Vodafone, der Deutschen Telekom und Telefónica im Vorfeld auf heftigen Widerstand gestoßen, da 1&1 bislang über kein eigenes Netz verfügt. An diesem Freitag ist Anmeldeschluss für Firmen, die sich an der 5G-Auktion der Bundesnetzagentur beteiligen wollen.

1&1 Drillisch hat derzeit etwa 9 Millionen Mobilfunk-Kunden, zu den Marken des Konzerns gehören yourfone oder smartmobil.de. Zum Vergleich: Vodafone hat in Deutschland rund 30 Millionen Mobilfunk-Vertragskunden und die Deutsche Telekom etwa 25 Millionen. Damit ist 1&1 Drillisch zwar ein kleiner Marktteilnehmer, als Mobilfunk-Discounter ist er aber auf dem aufstrebenden Ast. Mit dem Netzausbau wolle man "einen wesentlichen Beitrag dazu [...] leisten, dass Deutschland zum Leitmarkt für 5G in Europa werden kann", heißt es in der Mitteilung.

Lange war unklar, ob der Konzern den Schritt zum Netzbetreiber machen würde - damit sind milliardenschwere Investitionen verbunden. Ursprünglich hatte Konzernchef und Gründer Ralph Dommermuth ein sogenanntes nationales Roaming gefordert. Hierbei würden seine Kunden in Funklöchern überall in Deutschland mit dem Netz der Konkurrenz verbunden. Dies lehnte die für die Auktion zuständige Bundesnetzagentur aber ab, stattdessen setzt sie nur auf ein sogenanntes Verhandlungsgebot - alteingesessene Netzbetreiber müssen also mit Neueinsteigern wie United Internet über eine Mitnutzung der Netze verhandeln. Zur Öffnung ihrer Netze gezwungen werden sie nicht.

Allerdings planen die Spitzen der Bundestagsfraktionen der Union und SPD derzeit eine Pflicht zum sogenannten lokalen Roaming - dies wäre nur in einem eingeschränkten Gebiet gültig. Noch ist unklar, ob so eine abgespeckte Roamingpflicht für den 5G-Ausbau gelten wird.

Für Verbraucher dürfte die Entscheidung von United Internet eine gute Nachricht sein, schließlich wird der Wettbewerb am Mobilfunkmarkt dadurch vermutlich angefacht. "Der Einstieg eines vierten Netzbetreibers ist aus Verbrauchersicht zu begrüßen und dürfte auch die Geschwindigkeit des Netzausbaus insgesamt vorantreiben", sagte Jens-Uwe Theumer vom Preisvergleichsportal Verivox.

Allerdings muss United Internet noch Hürden nehmen, um Netzbetreiber zu werden: Zunächst einmal muss die Bundesnetzagentur die Firma zulassen, damit sie an der 5G-Frequenzauktion im Frühjahr teilnehmen kann. Das dürfte eine Formalie sein. Danach muss sich United Internet bei der Versteigerung um die 41 verschiedenen Frequenzblöcke gegen die Mitbieter durchsetzen. Die Versteigerung könnte insgesamt schätzungsweise fünf Milliarden Euro in die Staatskasse spülen.

Die Behörde legte für die Auktion bereits Vergaberegeln fest, mit denen Netzbetreiber zum zügigen Ausbau verpflichtet werden. Allerdings gelten für Neueinsteiger - und damit auch für United Internet - Ausnahmeregeln, um sie finanziell nicht zu überfordern. Dies wiederum ärgert die bisherigen Netzbetreiber, sie haben Klagen eingereicht gegen die Vergaberegeln.

United Internet wurde gegründet von dem Unternehmer Ralph Dommermuth, dem noch 40 Prozent des Konzerns gehören. Weitere große Anteilseigner sind der Investmentarm der Allianz (rund 6 Prozent) und der Vermögensverwalter Flossbach von Storch (3 Prozent). Der Konzern hat rund 9000 Mitarbeiter, davon arbeiten circa 3000 in der Telekommunikationssparte - letztere sind neben der Zentrale in Montabaur auch in Karlsruhe, Zweibrücken, Berlin und Maintal bei Frankfurt. Auch web.de und GMX gehören zum Konzern. 2017 übernahm United Internet den Mobilfunkdiscounter Drillisch, seither hält der Konzern 73 Prozent der Anteile an der Tochterfirma 1&1 Drillisch.

Torsten Gerpott von der Universität Duisburg-Essen wertete die Pläne positiv. "Der Einstieg eines vierten Netzbetreibers ist eine gute Nachricht für Endkunden", sagte der Professor für Unternehmens- und Technologieplanung. Bisher sei der Wettbewerb auf dem deutschen Mobilfunkmarkt relativ schwach, was im Vergleich zu anderen Staaten zu hohen Preisen und mäßiger Leistung führe. Dass mit United Internet nun ein "preisaggressiver" Wettbewerber zum Netzbetreiber werde, fache den Konkurrenzkampf an - dies wiederum komme dem Endkunden zugute, weil sich dadurch die Leistung tendenziell verbessern werde.

Gerpott stellt dem Mobilfunkmarkt in Deutschland ein schlechtes Zeugnis aus. In Österreich hingegen sei Mobilfunk billiger und besser. Die missliche Situation in Deutschland liege an einem "engen Oligopol" - die drei bisherigen Netzbetreiber dominierten den Markt, ohne sich dabei stark in die Quere zu kommen.

Bis 2014 gab es in Deutschland noch vier Netzbetreiber, dann jedoch verschmolzen Telefónica und E-Plus. Nun werden es wieder vier Netzbetreiber - also wird alles so wie früher? Gerpott schüttelt den Kopf. E-Plus habe damals weitgehend mitgemacht in dem harmlosen Nebeneinander der Konkurrenten. United Internet trete hingegen mit ihrem Niedrigpreis-Kurs anders auf - das werde die Platzhirsche gewaltig unter Druck setzen, sagt Gerpott.

Klar ist: Finanziell wird sich United Internet an die Decke strecken müssen. Wie das Unternehmen mitteilte, stellen Banken zusätzliche Kreditlinien in Höhe von 2,8 Milliarden Euro neu zur Verfügung. Zudem soll geprüft werden, ob die Dividende gesenkt werden muss, damit "zusätzliche Investitionsmittel für den Aufbau eines leistungsfähigen Mobilfunknetzes zur Verfügung stehen".

Ein ähnliches Geschäftsmodell wie 1&1 Drillisch hat Freenet, auch der Konkurrent aus Schleswig-Holstein hat kein eigenes Netz. Freenet macht aber nicht mit bei der Auktion. Das ist keine Überraschung. Interessant ist aber eine Finanzschätzung von Freenet-Chef Christoph Vilanek im "Handelsblatt" (Freitag): Mindestens zehn Milliarden Euro würde ein neues Mobilfunknetz kosten, sagt er.

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