Computer Google gibt Einblick in ein Leben mit künstlicher Intelligenz

Mountain View · Die Entwicklerkonferenz Google I/O 2016 zeigt: Die amerikanischen Technologieriesen haben sich auf eine Zukunft mit künstlicher Intelligenz festgelegt. Die neue Welt funktioniert aber nur, wenn der Mensch sein Leben für die Maschinen öffnet.

Android-Maskottchen in Mountain View: Die neue Welt von Google funktioniert nur, wenn der Mensch sein Leben für die Maschinen öffnet.

Android-Maskottchen in Mountain View: Die neue Welt von Google funktioniert nur, wenn der Mensch sein Leben für die Maschinen öffnet.

Foto: Christoph Dernbach

Das Verhältnis von Mensch und Technik steht vor dem nächsten Umbruch: Gerade erst brachten Smartphones das Internet und die Leistung eines Supercomputers buchstäblich unter die Fingerspitzen, jetzt ist künstliche Intelligenz auf dem Weg, allgegenwärtig zu werden.

Google will der Vorreiter dieser Revolution sein. Das machte die diesjährige Entwicklerkonferenz Google I/O unmissverständlich klar. Üblicherweise stand dort die nächste Version des Smartphone-Systems Android im Mittelpunkt, vielleicht noch ein markantes Überraschungs-Produkt wie die - letztlich gescheiterte - Datenbrille Google Glass. Diesmal gab es vor allem eine Vision: Google als Helfer im Alltag, immer zur Stelle, immer die richtige Antwort parat.

Auf dem sonnendurchfluteten Festival-Gelände neben seinem Hauptquartier demonstrierte Google, wie sich die ersten Bausteine für diese neue Welt zusammensetzen. Der smarte "Assistant" versteht menschliche Sprache und erfüllt Aufträge, der vernetzte Lautsprecher "Google Home" ist sein Vorposten im Haushalt.

Im Messenger Allo schlägt die künstliche Intelligenz die passende Antwort vor, im Hintergrund liefert ein von Google eigens für selbstlernende Maschinen entwickelter Chip die Rechenleistung. Und nur wenige Schritte weiter fahren Googles Roboter-Wagen auf den Straßen von Mountain View, gesteuert von Software, die ihre Umgebung versteht.

"Der nächste große Schritt wird sein, dass das Konzept eines "Geräts" sich auflöst. Mit der Zeit wird der Computer - welche Form auch immer er annehmen wird - zu einem intelligenten Assistenten, der Sie durch den Tag führt", schrieb Google-Chef Sundar Pichai in einem Blogeintrag Ende April. Auf der Google I/O untermauerte der Konzern diese Worte nun mit konkreten Produkten.

"Google treibt den Wandel vom Mobil-Computer voran zu einem, der den Alltag durchdringt und den Nutzer umgibt", bilanziert Analyst Geoff Blaber von CCS Insight. Auch Facebook, Microsoft und Amazon forschen an künstlicher Intelligenz, Apple lässt seit 2011 seine Siri mit iPhone-Nutzern reden. Die Tech-Riesen scheinen sich darauf festgelegt zu haben, wohin die Reise geht. Jetzt ist die Frage, wer als erster in der Zukunft ankommt.

"Für uns ist das eine Evolution von Google selbst", sagte Pichai dem Magazin "Forbes". Der Wandel werde viele Jahre dauern, betonte er. Pichais Plan ist auch, die Kapazität der selbstlernenden Maschinen anderen zur Verfügung zu stellen - so wie Amazon seine riesigen Rechnerkapazitäten vermietet. "Stellen Sie sich all die vielen, vielen Teams könnten bei Problemen, an denen sie arbeiten, auf maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz zugreifen." Er denke da an Gesundheitswesen, Finanzbranche, Bildung oder Klimaforschung.

Für Google könnte der Wandel auch ein Umdenken beim Geschäftsmodell bedeuten. Heute kommt der Großteil des Geldes nach wie vor aus Online-Werbung, vor allem im Umfeld der Internet-Suche. "Google positioniert sich für eine Post-Werbe-Welt", glaubt nun der frühere Chef des Online-Speicherdienstes Evernote und heutige Internet-Investor Phil Libin. Pichai selbst beteuert, Google mache sich noch keine konkreten Gedanken darüber, wie man in einer Welt mit dem sprechenden Assistenten Geld verdienen wolle. Die Geschäftsmöglichkeiten würden sich mit der Masse der Nutzer schon ergeben.

Dabei funktioniert die neue Welt nur, wenn der Mensch sich für sie öffnet. Wenn der Computer wissen soll, ob bei einer Suchanfrage nach "Curry" der Basketball-Spieler Steph Curry oder ein Curry-Gericht gemeint ist, muss er die Vorlieben des Nutzers kennen. Die Mikrofone eines "Home"-Lautsprechers müssen ständig an sein, um die Ansprache mit "Okay, Google" nicht zu verpassen. Der neue Allo-Messenger wertet auch die Inhalte der Fotos aus, um die richtigen Kommentare vorzuschlagen, zu einem Katzenfoto heißt es dann "niedlich" und zu einem Fallschirmsprung "wie mutig". Das ist faszinierend und gruselig zugleich.

Bezeichnenderweise brachte mitten während des Zukunfts-Festivals in Mountain View ein langwieriger Streit in Europa die jahrelangen Datenschutz-Konflikte noch aus der klassischen Suchmaschinen-Ära auf den Plan. Google zog gegen die französische Datenschutz-Aufsicht CNIL vor Gericht, die eine weltweite Umsetzung des europäischen Rechts auf Vergessenwerden im Internet fordert. Google warnt, denkt man das zuende, könnte auch autoritäre Regime Informationen im Westen sperren lassen.

Doch intelligente Maschinen werden noch ganz andere Sorgen als den Datenschutz bringen. Viele Beobachter fühlten sich abermals an den Film "2001: Odyssee im Weltraum" erinnert, in dem sich der Computer eines Raumschiffs gegen die Menschen wendet. Pichai sagt, die Technologie-Branche müsse mit Bedacht vorgehen und dafür sorgen, dass künstliche Intelligenz das Leben der Menschen helfe und ihr Leben verbessere.

Letztlich wird wohl der Nutzwert der neuen Dienste entscheiden, ob die Anwender bereit sind, dafür mit ihren Daten zu bezahlen. Werden sie wirklich dabei helfen, lästige Routineaufgaben wie ein menschlicher Assistent im Hintergrund zu erledigen? Oder erweist sich der Tausch Daten gegen Dienstleistung als schlechtes Geschäft? Gerade in Deutschland, wo der Datenschutz eine besonders große Rolle spielt, wird Google Antworten auf diese Fragen liefern müssen.

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