Interview mit Stefan Höltgen "KI soll menschliche Gegner überflüssig machen"

BONN · Für Medienwissenschaftler Stefan Höltgen kann Künstliche Intelligenz über die Qualität eines gesamten Computerspiels entscheiden. Im Interview spricht er über unter anderem über Stärken und Schwächen der KI.

Die Entwicklung Künstlicher Intelligenz in Videospielen ist noch längst nicht am Ende. Medienwissenschaftler Stefan Höltgen sprach mit Laszlo Scheuch über ihren Ursprung und wagt einen Ausblick.

Welche Bedeutung hat die KI für ein Computerspiel?

Stefan Höltgen: Bei Spielen, in denen es nicht um Geschicklichkeit, Ausdauer oder das Lösen von Rätseln geht und in denen Gegenfiguren auftreten, die nicht von anderen menschlichen Mitspielern gesteuert werden können oder sollen, ist KI sehr wichtig. Oft entscheidet die Qualität der KI über das gesamte Spiel. Sind die Gegner zu schwach oder zeigt sich in ihrem Verhalten eine Regelmäßigkeit, die auf einen zu einfachen Algorithmus rückschließen lässt, verliert das Spiel an Wert. Wer möchte schon gegen einen Schachgegner spielen, der immer denselben Fehler macht?

Seit wann ist KI in der Games-Branche überhaupt Thema?

Höltgen: Das erste dezidierte Computerspiel mit KI war "Video Olympics" für die Atari-VCS-Spielkonsole. Dabei handelt es sich um ein Tennisspiel, das auf der berühmten Vorlage Pong basiert. Erweitert man den Fokus etwas auf nicht kommerzielle Spiele, dann ist Computerschach das erste Spiel mit KI gewesen.

Was macht die KI in "Video Olympics" aus?

Höltgen: Die KI funktioniert so, dass der Schläger des KI-Spielers stets auf der Höhe des Balls ist. Bei der horizontalen Bewegung über den Bildschirm weicht die Höhengleichheit jedoch in einem vordefinierten Maß ab, sodass eine Ungenauigkeit entsteht, die für den KI-Gegner zum Ballverlust führt, je länger der Ball hin und her gespielt wird. Im Prinzip wäre es möglich, einen Computerspieler zu programmieren, der nicht verlieren kann. Das wäre allerdings kontraproduktiv. Also ging es beim Programmieren der Gegenspieler-Figur eher um die Konstruktion einer künstlichen Dummheit.

Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?

Höltgen: Seit den 1980er-Jahren wird die Entwicklung neuronaler Netze erforscht. Das sind Algorithmen, die es Programmen ermöglichen, zu lernen und das Datenmaterial nach und nach immer intelligenter zu verarbeiten. Das wird heute schon in zahlreichen professionellen Anwendungen genutzt, in denen sich Systeme flexibel an unterschiedliche Anforderungen anpassen müssen. Es sind zuletzt sogar schon experimentelle KI programmiert worden, die gelernt haben, wie man andere Computerspiele spielt. Neuronale Netze können natürlich auch in Computerspielen eingesetzt werden. Damit könnte man dann Spielfiguren generieren, die während des Spiels lernen und dadurch immer bessere Gegner werden.

Ist der menschliche Gegner bald überflüssig?

Höltgen: Ja, KI soll menschliche Gegner überflüssig machen - aber nur deshalb, weil vielleicht keine da sind, wenn man gerade spielen will. Entscheidet man sich für ein Spiel gegen die KI, dann ist künstliche Dummheit genauso wichtig wie Künstliche Intelligenz, damit Spiele spielbar bleiben und Spaß machen. Irren ist menschlich und daher muss der Irrtum auch mit implementiert werden, wenn die KI menschlich wirken soll. Dort, wo Computerspiele von einem einzelnen Spieler gespielt werden, aber Gegnerkonzepte implementiert haben, ist KI unersetzlich. Allerdings gibt es auch Computerspiele wie "Sing Star", die eher wie eine Art Schnittstelle für die Verbindung zweier menschlicher Spieler fungieren. Dort wäre eine KI fehl am Platz. Es hängt also stark von der Art des Spiels ab, ob man gegen einen menschlichen oder einen künstlichen Gegner spielt.

Ist eine gute KI heutzutage wichtiger als etwa noch vor zehn Jahren?

Höltgen: Davon ist auszugehen. Aufgrund der schnelleren Computer und größerer Speicherkapazitäten sind heute komplexere Spiele möglich und somit auch verbesserte KI möglich. Der Einzug der Computertechnologie in die Wohn- und Kinderzimmer war es erst, der zur Implementierung von Gegenspieler-KI geführt hat. Da dieser Prozess bis heute anhält und noch weiter fortgeschritten ist, war auch die Weiterentwicklung von Spiel-KI notwendig und sinnvoll.

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