Der digitale Abschied QR-Codes am Grabstein und Trauern im Netz
Duisburg/Köln · Der eine oder andere Grabstein ist heute mit QR-Codes versehen. Das Gedenken findet auch virtuell statt. Und Apps navigieren Besucher über den Friedhof. Die Digitalisierung hat die letzte Ruhestätte erreicht und Trauergewohnheiten verändert.
Eine virtuelle Kerze anzünden für den gestorbenen Freund. Fotos zur Erinnerung an die Oma auf eine Trauerseite im Internet einstellen. Im Online-Kondolenzbuch einen Eintrag für den verunglückten Kollegen einfügen. Die Digitalisierung hat längst sämtliche Bereiche des Lebens erreicht. Abschiednehmen, Trauern und Erinnern haben sich gewandelt. Auf manchen Grabsteinen finden sich digitale QR-Codes. Mit der Handykamera gescannt und entschlüsselt, verweisen sie auf eine Internetseite mit Bildern, Videos und der Lebensgeschichte des Gestorbenen.
„Mit solchen QR-Codes können Inhalte und Informationen über den Verstorbenen hinterlegt werden, die auf dem Grabstein keinen Platz finden“, erläutert Oliver Wirthmann, Geschäftsführer des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur. Die Pixel-Quadrate seien eine zunehmend gefragte Ergänzung. „Ich sehe das sehr positiv, es ist eine neue Möglichkeit.“ Zu den Vorteilen gehört aus Wirthmanns Sicht: „Wohnt jemand weit entfernt oder im Ausland, konnte nicht an der Trauerfeier teilnehmen oder nicht zum Grab kommen, dann teilt er die Trauer im virtuellen Raum.“ Dazu reicht es, wenn ihm jemand ein Foto mit dem QR-Code schickt.
Andreas Rosenkranz fertigt seit einigen Jahren Grabmale mit QR-Codes an - und ist damit auf diesem Feld einer der ersten Steinmetze in Deutschland. „Zunächst dachte ich, wie skurril. Ist es aber gar nicht.“ Die Idee komme aus Japan. „Aber auch bei uns werden die Gräber ja immer kleiner, die Urnenbestattungen nehmen zu.“ Der Code als Transmitter bahne den Weg zur Internetseite für den Gestorbenen. In seiner Kölner Werkstatt bringt er die grafischen Codes direkt per Sandstrahltechnik auf die Grabsteine auf. „Das ist absolut witterungsfest.“
Aber auch kleine Sockelsteine, Pflastersteine oder Plaketten mit den kleinen Pixel-Zeichen sind Varianten. „Wir liefern den Stein mit dem generierten Code“, erläutert Rosenkranz.
Weil es da anfangs Skepsis und Unklarheiten gab, hat der Städtetag eine „Handlungsempfehlung zum Umgang mit dem QR-Code“ verfasst. Der QR-Code ist demnach als Grabmal-Inschrift zu bewerten. Wird eine solche „gestalterische Einbindung“ gewünscht, kann die Friedhofsverwaltung sie in der Regel nicht verbieten. Für die Genehmigung eines Grabmals sind QR-Code und Inhalt der hinterlegten Internetseite mitanzugeben - für den Inhalt verantwortlich sind die Hinterbliebenen.
Die Nachfrage nach den QR-Codes steigt jedenfalls, wie Bildhauer Rosenkranz schildert. „Solche digitalenGrabzeichen sind im Mainstream angekommen. Es geht nicht nur um Informationen zum Verstorbenen für die anderen, es hilft auch den Hinterbliebenen, die eigene Trauer zu teilen und zu verarbeiten.“ Und: „Diese Art des Gedenkens ist dynamisch. Es kann sich entwickeln.“ Bei der Grabstein-Aufstellung sei manchmal nur ein Bibelzitat hinterlegt, dann würden immer mehr Texte, Erinnerungen oder Bilder ergänzt.
Die heute jüngere Generation, die mit digitalen Medien aufgewachsen sei, werde auch bei Bestattung und Abschiednehmen verstärkt aufs Internet und soziale Netzwerke setzen, glaubt der Duisburger Bestatter Stefan Menge. Warum? Die Eltern eines recht jung Verstorbenen würden zum Beispiel Namen und Adressen aller Freunde, Kollegen oder Vereinsmitglieder sicherlich niemals ausfindig machen. Über ein Web-Trauerportal erfahren es aber nach und nach alle, können sich aktiv einbringen. Dieser Trend mache auch die Bestatterbranche immer digitaler, meint Menge.
Friedhofs-Apps, die den Besucher zum Grab navigieren, sind ebenfalls seit einiger Zeit auf dem Markt. „Es gibt eine ganze Reihe von Anbietern, aber durchgesetzt hat sich das noch nicht“, sagt Wirthmann. Denn für die Friedhofsverwalter entstehen Kosten. Im Internet kann man Grabsteine außerdem mit bestimmten Programmen selbst daheim am PC gestalten. Aber: Die meisten brauchen nach Beobachtung von Wirthmann doch einen Stein zum Anfassen, gehen lieber zum Steinmetz statt an den Computer.
Äußerst skeptisch ist er mit Blick auf erste soziale Netzwerke, die virtuelle Unsterblichkeit versprechen. Aus Daten, die zu Lebzeiten eingegeben wurden, soll mittels Künstlicher Intelligenz ein Ebenbild kreiert werden, das auch nach dem Tod weiter agiert. Dazu meint Wirthmann: „Das steht noch ganz am Anfang, in experimenteller Form. Aber so etwas wäre trauerpsychologisch sicherlich für die Hinterbliebenen ein Problem. Und zur Würde des Menschen gehört, dass er auch sterben darf.“