Interview Wie weit darf Pflege durch Roboter gehen?

Bonn · Roboterphilosoph Oliver Bendel spricht im GA-Interview über Möglichkeiten und Grenzen von Robotern, die in der Pflege eingesetzt werden.

Oliver Bendel, Jahrgang 1968, ist promovierter Wirtschaftsinformatiker und versteht sich als Roboterphilosoph. Seit 2009 lehrt er an der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz. Im Oktober erscheint das von ihm herausgegebene Buch "Pflegeroboter". Mit ihm sprach Anna-Maria Beekes.

In der Pflege ist das Zwischenmenschliche sehr wichtig - kann ein Mensch überhaupt eine Beziehung zu einem Roboter aufbauen?

Oliver Bendel: Natürlich, ich würde sogar behaupten, dass fast jeder Mensch Beziehungen zu Maschinen aufbaut. So geben viele etwa ihrem Auto einen Namen - beim Smartphone passiert das übrigens interessanterweise nicht. Die äußere Gestaltung und eine etwaige Stimme bestimmen die Beziehung zum Roboter. Der Therapieroboter "Paro" zum Beispiel ist bewusst als Babyrobbe gestaltet und nicht als Hund oder Katze - die kennen wir als Haustiere, das würde uns auch mit Demenz nicht überzeugen.

Im asiatischen Raum gibt es bereits sehr menschlich anmutende Roboter. Wieso ist das hier anders?

Bendel: Wir haben in Europa ein völlig anderes Narrativ, was Roboter betrifft. Hier sind Roboter eher "niedliche Maschinen" wie etwa Pepper. Wenn einem menschlich anmutenden Robotergesicht das Lächeln entgleist, gruseln wir uns - der Roboter fällt ins "uncanny valley", das "unheimliche Tal".

Wo liegen die ethischen Grenzen für Roboter in der Pflege?

Bendel: Aus ethischer Sicht ist sehr wichtig, dass wir keinen Betrug an den Menschen begehen: Ich persönlich möchte als dementer Patient nicht mit Pepper alleingelassen oder von Paro betreut werden. Das betrachte ich als einen Betrug an mir, und ich würde deshalb aus meiner heutigen Freiheit heraus per Patientenverfügung diese Entscheidung treffen - auch wenn sie dann letztlich vielleicht falsch ist. Damit werden wir uns hier beschäftigen müssen, ebenso mit Haftungsfragen und steuerlichen Aspekten. Es gibt aber eine noch viel wichtigere Dimension.

Und die wäre?

Bendel: Ein Roboter wie Pepper ist nicht nur Helfer, er ist auch Spion: Er kann sehen, hören und cloudbasiert alle Daten abspeichern. Diese Roboter sind Überwachungsinstrumente. Davor müssen vor allem Kinder, aber eben auch Senioren und andere Pflegebedürftige besonders geschützt werden. Man stelle sich beispielsweise vor, Michael Schumacher würde von einem Roboter betreut, und bestimmte Medien erhielten Zugriff auf diese Daten. Roboter stärken also die persönliche Autonomie und schwächen die informationelle. Diesen Konflikt kann ich als Ethiker nicht auflösen.

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