Interview mit Fußball-Vizeweltmeister Wolfgang Weber Erinnerungen an den Mythos von Wembley

Köln · Nicht viele deutsche Fußballer hatten das Glück, in Wembley spielen zu dürfen. Wolfgang Weber gehört zu ihnen. Mit dem früheren Kölner Nationalspieler (53 Länderspiele) sprach Joachim Schmidt.

 "Der Fluch von Wembley liegt auf mir", sagt Wolfgang Weber, der zwei Mal in London spielte und verlor.

"Der Fluch von Wembley liegt auf mir", sagt Wolfgang Weber, der zwei Mal in London spielte und verlor.

Foto: dpa

Herr Weber, die Fußballwelt schaut am Samstag auf Wembley, wo das Champions-League-Finale den Bayern und dem BVB stattfindet. Mit dem Namen Wembley verbindet sich ein Mythos, der des Stadions. Sie haben dort gespielt. Wie sind Ihre Erinnerungen?
Wolfgang Weber: Der Fluch von Wembley liegt auf mir. Ich habe da zwei Mal gespielt und zwei Mal unnötig verloren. Am bittersten war natürlich die Niederlage im Weltmeisterschaftsendspiel 1966 gegen England. So ein Spiel möchte natürlich jeder gewinnen. Immerhin habe ich mit dem Ausgleichstreffer in der letzten Spielminute die Verlängerung erzwungen. Es war einer meiner beiden einzigen Länderspieltreffer. Das war für mich persönlich ein kleiner Trostpreis. Natürlich ist es keine Frage, dass ich auf dieses Tor liebend gern verzichtet hätte, wenn wir Weltmeister geworden wären.

Was unterschied das alte Wembley Stadion von anderen Stadien?
Weber: Da war zunächst der Rasen, der ja auch als heiliger Rasen bezeichnet wurde. Es hat in der damaligen Zeit, glaube ich, in keinem anderen Stadion der Welt solch einen vorzüglichen Rasen gegeben. Das war kein Rasenplatz, das war ein Rasenteppich. Das war sensationell, was die Greenkeeper, die englischen Platzwarte, da hinbekommen haben. Zumal vor dem Endspiel 1966 auf dem Platz bereits acht Spiele innerhalb von 18 Tagen stattgefunden hatten.

Trotzdem war der Rasen bestens, ohne jede Unebenheit. Eine Besonderheit des Rasens war noch, dass er sehr weich war und nachgab. Man sank tief in ihn ein. Deshalb kostete das Spiel darauf zusätzlich viel Kraft. Dann war das alte Stadion natürlich ein architektonisches Juwel. Ich kannte es ja schon von einem Freundschaftsspiel, das wir fünf Monate vor dem Finale 1966 mit 0:1 ebenfalls unglücklich verloren hatten. Dennoch war ich beeindruckt, als wir am Endspieltag auf das Stadion zu fuhren und ich die schneeweißen Zwillingstürme mit ihren Kuppeln sah. Es ist ein Jammer, dass die trotz der heftigen Proteste abgerissen und nicht in den Neubau integriert wurden.

Sonst noch Besonderheiten?
Weber: Im Bauch des Stadions war alles so riesig, wie draußen auch die flach ansteigenden Tribünen, auf denen damals fast hunderttausend Zuschauer Platz fanden. Woran ich mich noch intensiv erinnere, ist der intensive Geruch nach Kampfer. Damit wurden wir vor dem Spiel massiert, und es schien sich regelrecht in den Umkleideräumen eingenistet zu haben. Wir waren übrigens in der Kabine, die bei normalen Länderspielen die Heimkabine der Engländer war. Die war uns von der FIFA zugelost worden. Geholfen hat es leider nichts.

Waren Sie nach diesem denkwürdigen Spiel noch einmal in Wembley?
Weber: Ja, zwei Mal. Das erste Mal dreißig Jahre später, beim EM-Endspiel 1996. Da bin ich mit zwei Freunden während des gesamten Turniers mit dem Wohnmobil von einem Spielort zum anderen durch England gefahren. Für das Endspiel hatten wir Karten hinter einem der Tore in der Kurve bekommen.

Da war die Sicht nicht besonders gut. Wir saßen unten und waren recht weit weg vom Spielfeld, weil es im Stadion ja die breite Laufbahn für Windhundrennen gab. Das zweite Mal war wiederum zehn Jahre später. Die Engländer hatten uns zum vierzigjährigen Endspieljubiläum für drei Tage nach London eingeladen. Das neue Stadion war zwar noch nicht vollkommen fertiggestellt, doch war auch die Baustelle schon imposant anzuschauen.

Wie haben Sie denn den Wembley-Roar empfunden?
Weber: Na ja, das war schon gewaltig, als die englischen Zuschauer ihre Mannschaft anfeuerten. Aber wir haben uns nicht erschrecken lassen.

Wann haben Sie erstmals von Wembley gehört?
Weber: Das muss 1953 gewesen sein. Da haben die Engländer in Wembley mit 3:6 gegen die Ungarn verloren. Darüber wurde auch bei uns viel gesprochen. Ich war damals neun, spielte mit den anderen Jungs in unserer Siedlung jeden Nachmittag Fußball und habe natürlich davon gehört. Von da an war Wembley für mich ein Begriff.

Wem drücken Sie am Samstag die Daumen?
Weber: Der an diesem Tag Bessere soll gewinnen. Vor allem aber sollen alle Beteiligten das Erlebnis genießen, denn so oft spielt man nicht in Wembley.

Zur Person

Wolfgang Weber (68) wurde in Pommern geboren und kam als Flüchtlingskind nach Porz. Mit zehn Jahren trat er in die SpVgg Porz ein. Der legendäre Tschik Cajkovski entdeckte ihn für den 1. FC Köln, zu dem er 1962 wechselte und bis '78 allein 356 Bundesligaspiele absolvierte.

Berühmtheit erlangte Weber (2x Meister und 3x Pokalsieger) durch sein Tor zum 2:2 im WM-Finale 1966 sowie durch das Europacup-Spiel gegen Liverpool, in dem er 70 Minuten mit gebrochenem Wadenbein spielte.

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