Syrien-Konflikt Eskalation mit Ankündigung

Meinung | Brüssel · Diese Eskalation war absehbar. Sie macht das Versagen der Vereinten Nationen, der EU und der Nato im Syrien-Konflikt noch einmal auf dramatische Weise deutlich.

 Jens Stoltenberg, Generalsekretär der Nato, kommt zu einer Pressekonferenz im Nato-Hauptquartier. Nach der Eskalation des Konflikts zwischen der Türkei und Syrien kommt der Nordatlantikrat der Nato zu einem Sondertreffen zusammen. Die Türkei habe um dieses Treffen gebeten.

Jens Stoltenberg, Generalsekretär der Nato, kommt zu einer Pressekonferenz im Nato-Hauptquartier. Nach der Eskalation des Konflikts zwischen der Türkei und Syrien kommt der Nordatlantikrat der Nato zu einem Sondertreffen zusammen. Die Türkei habe um dieses Treffen gebeten.

Foto: dpa/Olivier Matthys

Die Türkei marschierte im Oktober in Nordsyrien ein, um eine Pufferzone im Grenzgebiet zu schaffen und von dort die Kurdenmiliz YPG zu vertreiben, in der sie einen Ableger der kurdischen Terrororganisation PKK sieht. Allerdings war die YPG bis dahin Verbündete der USA im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Kurden riskierten damit auch für den Westen ihr Leben. Doch auf Geheiß von US-Präsident Donald Trump machten die US-Truppen den Weg für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan frei. Die Kurden fühlten sich verraten. Der UN-Sicherheitsrat blieb tatenlos. Mutlos überließ die Nato die brisante Angelegenheit Washington und Ankara. Und hilflos verurteilte die EU die türkische Invasion.

Nun wurden Dutzende türkische Soldaten in der nordsyrischen Region Idlib bei einem Luftangriff getötet. Offensichtlich ist Russland daran beteiligt, dass Syriens Diktator Baschar al-Assad dabei hilft, Idlib als letzte Milizen-Hochburg unter Kontrolle zu bringen – während Ankara einen Teil der dortigen Rebellen unterstützt. Und jetzt ruft die zündelnde Türkei nach militärischem Beistand der Nato. Deren Nordatlantikrat kam sofort zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Es geht um Artikel 4 des Gründungsvertrags, wenn ein Mitgliedsstaat seine territoriale Integrität, politische Unabhängigkeit oder Sicherheit gefährdet sieht. Damit ist der Punkt erreicht, dass der Nato-Partner Türkei das westliche Militärbündnis in die militärische Auseinandersetzung mit Russland und Syrien hineinziehen könnte. Das ist keine Überraschung, aber gefährlich.

Europa dürfte sich jetzt bewegen – allerdings nicht, weil die Türkei ruft. Und auch nicht, weil weiterhin täglich Zivilisten Opfer schlimmster Kriegsverbrechen werden. Der Grund, dass etwas geschehen könnte, ist eher die Drohung der Türkei, das Abkommen mit der EU zu ignorieren und Flüchtlinge aus Syrien nach Europa weiterziehen zu lassen. Fast eine Million Syrier sind seit Dezember auf der Flucht. Dafür ist teilweise auch Erdogans Vorgehen in Nordsyrien verantwortlich, aber trotzdem darf nicht übersehen werden, dass sein Land bereits deutlich mehr als drei Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen hat. Die EU zahlt dafür Milliarden von Euro, aber Geld allein ist nicht die Lösung. Die EU sollte sich ebenfalls schnell zusammensetzen und darüber beraten, wer wie und wo Kriegsflüchtlinge aufnimmt. Die Lage auf Lesbos in Griechenland nicht zu vergessen.

Syrien ist zum Synonym von Krieg, Stellvertreterkriegen, Katastrophe und millionenfachen menschlichem Leid geworden. Russland und die Türkei und die arabische Welt spielen ihr eigenes böses Spiel und westliche Institutionen erweisen sich als machtlos. Die Nato muss ihr Mitglied vom Bosporus wieder einfangen. Sie darf einem Brandstifter nicht dabei helfen, Feuer zu entfachen. Und die Welt muss jetzt helfen, das Feuer in Syrien endlich zu löschen. Komplette Waffenexportstopps. Und Friedensverhandlungen der Kriegsparteien. Wofür sonst gibt es die Vereinten Nationen.

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