Interview Grünen-Gesundheitsexperte Harald Terpe zum Medikamentenkonsum

Der am Dienstag veröffentliche Arzneimittelreport 2012 hat ergeben, dass Frauen weit häufiger süchtig nach Medikamenten sind als Männer. Der Grünen-Gesundheitsexperte Harald Terpe warnt vor einem erheblichen Abhängigkeitspotenzial vieler Präparate. Mit Terpe sprach Ulla Thiede.

Gibt es eine Erklärung, warum Psychopharmaka (Antidepressiva, Tranquilizer, Hypnotika) mehr bei Frauen verordnet werden?
Terpe: Die häufigere Verordnung von Psychopharmaka beruht auch darauf, dass Frauen bei der Beschreibung ihrer Beschwerden eher bereit sind, auch psychische Beeinträchtigungen mit einzubeziehen. Männer hingegen geben Ärzten gegenüber oft nur ihre körperlichen Beschwerden an. Ob sich daraus ein unterschiedliches Verordnungsverhalten ergibt, hängt davon ab, inwieweit Ärzte bereit sind, Rollenstereotype zu hinterfragen.

Andererseits: Bei den Psychostimulanzien sind Verordnungen bei Männern häufiger also anregende Psychopharmaka und Neuroleptika.
Terpe: Die liegt nicht nur an den Rollenbildern, sondern auch am Nachfrageverhalten. Männer fragen eher nach leistungssteigernden Mitteln, Frauen - auch aufgrund ihrer häufigen Doppel- und Dreifachbelastung - nach Mitteln zur Beruhigung und Entspannung.

Was ist so gefährlich an Psychopharmaka? Gilt das Abhängigkeitsrisiko auch für Psychostimulanzien?
Terpe: Schlaf- und Beruhigungsmittel wie etwa Benzodiazepine haben ein erhebliches Abhängigkeitspotenzial. Vor diesem Hintergrund ist es eigentlich unverständlich, dass sie relativ einfach verschrieben werden können, auch über einen längeren Zeitraum hinweg. Aber auch Psychostimulanzien wie beispielsweise Ritalin können zumindest psychisch abhängig machen. Hier ist allerdings noch viel Forschung nötig.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort