Heidi Specker im Kunstmuseum Abseits asphaltierter Wege

Die Ausstellung „Fotografin“ im Bonner Kunstmuseum zeigt das Werk von Heidi Specker. Der Besucher muss nach Bezügen, Bedeutungen und Erklärungen suchen.

 Heidi Specker: „Ich interessiere mich dafür, wie ich ein interessantes Bild bekomme.“ FOTO: BENJAMIN WESTHOFF

Heidi Specker: „Ich interessiere mich dafür, wie ich ein interessantes Bild bekomme.“ FOTO: BENJAMIN WESTHOFF

Foto: Benjamin Westhoff

Es geschehen wundersame Dinge beim Rundgang durch die Ausstellung mit Arbeiten von Heidi Specker. Drei Räume hat das Kunstmuseum für die rund 70 Fotografien reserviert, mit dem Anspruch, eine Überblicksschau mit Beispielen aus den wichtigen Werkgruppen der vergangenen 20 Jahre zu liefern.

Wer jedoch davon ausgeht, sich in einer nach üblichen Maßstäben und objektiven Kriterien wie Chronologie oder Thema geordneten Abfolge der Ausstellungsstücke schnell zurechtzufinden, darf sich schon mal auf eine Enttäuschung gefasst machen. Werkgruppen wurden offenbar auseinandergerissen und über die Wände und Räume verstreut neu geordnet.

Aber wie, wird man irritiert fragen, und das ist der Punkt, an dem man feststellt, dass diese Ausstellung subtil und nachhaltig unsere zumindest zum Teil unbewussten Erwartungen an den formal geordneten musealen Kontext radikal unterlaufen hat. Das allein ist schon mal eine gute Sache, denn sie fordert den Ausstellungsbesucher heraus, nach Bezügen, Bedeutungen und Erklärungen zu suchen, ohne dass sie ihm mundgerecht präsentiert werden.

Ein Risiko ist es auch, denn das Terrain wird unwegsam, nachdem man die asphaltierten Ausstellungswege verlassen hat. Wenn aber die Schritte in diesem schwierigen Gelände zunehmend sicherer werden, je länger man sich eingesehen und eingefühlt hat in Heidi Speckers Welt, wird man belohnt mit Entdeckungen. Motive kehren wieder und erscheinen neu in anderen Zusammenhängen. Farben, Texturen, Oberflächen werden plötzlich prominent, Größenverhältnisse instabil. Die spannende Suche nach nicht vorgegebenen Resultaten kann beginnen.

Damit gewährt Heidi Specker, die ihre eigene Retrospektive nach völlig subjektiven Kriterien gehängt hat, einen besonderen Blick auf ihr Oeuvre. Die 1962 geborene Fotografin lebt in Berlin, leitet die Fotografie-Klasse an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und wird zu den „Pionieren der Digitalfotografie“ gezählt. Ein zutreffendes Etikett, denn zu Beginn der 1990er Jahre, als die Skepsis gegenüber dem Digitalen groß war, entschied sich Heidi Specker bewusst dafür. „Der Wechsel zur digitalen Fotografie war für mich logisch. Die Kameras waren noch sehr schlecht, aber ich lernte Photoshop und zog fotografierend durch die Straßen Berlins.“

Damals entstand die Werkreihe der „Speckergruppen“ und später die Serie „Teilchentheorie“, in denen sie urbane Architektur und deren Details durchkonjugierte. Aber es ist nicht der dokumentarische Aspekt der Fotografie, dem Heidi Specker folgt. „Ich interessiere mich dafür, wie ich ein interessantes Bild bekomme. Dabei ist weniger entscheidend, was ich abbilde, sondern wie es erscheint.“

Folgerichtig ist die Möglichkeit der Manipulation am Bild für die Fotografin kein Vorwurf, der gegen diese Technik spricht, im Gegenteil. „In der Dunkelkammer musste ich immer kämpfen, jetzt kam mir die neue Technik entgegen und das Bild war modellierbar.“

Es folgen weitere Werkreihen, in denen sich Heidi Specker auf andere Orte und neue Themen einlässt und jeweils eine eigene Bildsprache, ein Format oder eine Art der Rahmung entwickelt. So wandert man durch die Ausstellungsräume, begegnet mehrfach den Figuren von Giorgio de Chirico, riesenhaft vergrößerten Silberschalen oder Klaviertasten, Vögeln, Pflanzen mit ihren malerischen Schatten und Porträts in Schwarz-Weiß von Menschen im Atelier der Fotografin.

Am Ende hat man keine chronologische Abfolge von Heidi Speckers Werken, sondern eine mehrdimensionale Karte ihrer Welt im Kopf.

Kunstmuseum Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 2, bis 27. Mai, Di-So 11-18, Mi 11-21 Uhr, Katalog. Kuratorenführung mit Barbara Scheuermann am 25. Februar um 11 Uhr.

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