Thema Natur Acht neue Beiträge im Kölner Skukpturenpark

Köln · Die Ausstellung Köln Skulptur #10 präsentiert acht neue Beiträge im Skulpturenpark zwischen Zoo, Flora und Rhein. Das Thema: „ÜberNatur – Natural Takeover“.

 Neues Zentrum des Kölner Skulpturenparks: Mary Bauermeisters Installation „Rübezahl“ mit 130 Stühlen aus Holzstämmen.

Neues Zentrum des Kölner Skulpturenparks: Mary Bauermeisters Installation „Rübezahl“ mit 130 Stühlen aus Holzstämmen.

Foto: Hyou Vielz

Kunstbetrieb in Zeiten von Corona: Der Kurator sitzt in Hongkong fest, durfte seit Ende 2019 nicht mehr nach Deutschland, kommentiert die Ausstellung, die seine Mitarbeiter in Köln realisiert haben, vor der Presse per Videokonferenz anhand eines Drohnenfilms von der Schau. Von den acht beteiligten Künstlern haben nur zwei, die beiden Deutschen, ihre Arbeiten vor Ort einrichten können, die anderen mussten virtuell Regie führen. Keine einfachen Bedingungen für Köln Skulptur #10, die zehnte Auflage der 1997 von Michael und Eleonore Stoffel ins Leben gerufenen Skulpturbiennale. Schwierige Zeiten. Aber nicht jammern: Es ist eine ausgezeichnete, leichtfüßig daherkommende, bisweilen irritierende Schau, die Tobias Berger für das Kunstbiotop zwischen Flora, Zoo und Rhein kuratiert hat. Er präsentiert  acht spannende Neuzugänge, die exzellent mit den drei Dutzend weiteren, früheren Beiträgen harmonieren oder aber in einen faszinierenden Dialog treten. Und für alle Maskenphobiker: Es ist eine Ausstellung, die, weil Open Air, ohne Mund- und Nasenschutz genossen werden kann.

Für das aktuelle Thema „ÜberNatur – Natural Takeover“ gibt ein alter Hase das Stichwort: 2015 legte Lois Weinberger eine 60 Meter lange Schneise durch den Skulpturengarten, ohne Rücksicht auf Wege und Wiesen. Seitdem holt sich wilde, urwüchsige Natur ihr Land zurück. Nach wie vor eine der eindrucksvollsten Arbeiten des Parks, dessen Baumbestand alleine schon einen Besuch wert ist.

Künstliche Kiefern

Da ist nicht alles so echt, wie es scheint. Zumindest nicht nach dem „Natural Takeover“ von Dane Mitchells Funkzellen-Kiefernbäumen aus Stahl, Aluminium und Plastik. Die Neuseeländerin zeigte die in China produzierten, getarnten Funk- und Überwachungsmasten 2019 bei der Kunstbiennale in Venedig. In Köln fallen sie durch ihre Künstlichkeit auf und den Text, den sie von sich geben: lange Listen mit mehr oder weniger Wissenswertem.

Einen jungen Ginkgobaum hat der Chinese Trevor Yeung in den Park gepflanzt und ihm, der Ginkgo lebt gerne paarweise, eine pink leuchtende Laterne zum Partner an die Seite gestellt, deren Licht das Wachstum fördern soll. Ein poetisches Paar. Wenige Meter entfernt erkennt der Besucher mit viel Glück das kleinste Kunstwerk von Köln Skulptur #10: Ayse Erkmens Schnecke, die dem Lonely George genannten letzten Exemplar der hawaiianischen Baumschnecke in Bronze nachempfunden ist, klebt an Mandla Reuters 2011 mitten auf den Weg gepflanzter Platane.

Zeichen des Neuanfangs

Wiederum wenige Meter weiter sieht man Dirk Skrebers riesiges, zisternenartiges Loch „Reaktor“ im Boden, in dem er 2009 ein demoliertes Auto präsentierte. Jetzt steht dort John Bocks von wogender Musik umwallte, vier Meter hohe, filigrane Vitrine, in der – noch zerbrechlicher – die Hülle, die Larve einer Libelle ausgestellt wird. „Schlupf“, so der Titel, markiert den Moment des Neuanfangs. Zumindest für die Libelle.

Der Parcours geht weiter zu Leelee Chans (Hongkong) hoher, technoider Stele, die dem Schicksal des Birkenspanners nachspürt, die Geschichte aber mit industriell gefertigten Teilen erzählt, die sich zu einer großen Raupenstruktur fügen. Eine Fusion aus Natur und Technik. Wie bei Katja Novitskovas (Estland) mitten auf der Wiese stehendem Objekt: Die stark vergrößerten Köpfe zweier hochaufgelöst fotografierter Schlangen wurden auf eine Scheibe aufgezogen, wirken hyperreal und doch als Artefakt in der Natur. Als weiß strahlende Fremdkörper liegen große Messing-Eier im Gras und illustrieren eine Geschichte aus dem Leben der Chinesin Guan Xiao, die einst einer Freundin ein rohes Ei schenkte, dessen Inhalt sich in den Jahren verflüchtigte, so dass nur die Schale blieb.

Ort des Palavers

Man kann dieses Skulptur gewordene Gleichnis verstehen oder es bleiben lassen. Und lieber in „Rübezahl“ nach Inspirationen suchen: Unter dem Titel hat die Fluxusveteranin Mary Bauermeister für ihr Kölner Heimspiel – die 85-Jährige lebt in Rösrath – 130 Baumstämme, die sie zum Beispiel für magische Stuhlkreise nutzte, zu einem wahren Schamanenforum gruppiert. Hirschgeweihe und Widderhörner komplettieren das Ensemble, das sich als neues Zentrum des Kölner Skulpturenparks, Ort des Palavers und Gedankenaustauschs über Gott und die Welt, anbietet. Aber bitte mit Sicherheitsabstand.

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