Gesellschaft Adonis mit Remarque-Friedenspreis ausgezeichnet

Osnabrück · Die Jury des Remarque-Friedenspreises ist sich treu geblieben und hat trotz Kritik an dem syrisch-libanesischen Preisträger Adonis festgehalten. Dieser macht in seiner Rede Europa mitverantwortlich für den Bürgerkrieg in seinem Heimatland.

 Der syrisch-libanesischen Autor Adonis bedankt sich in Osnabrück für die Verleihung des Erich-Remarque-Friedenspreises.

Der syrisch-libanesischen Autor Adonis bedankt sich in Osnabrück für die Verleihung des Erich-Remarque-Friedenspreises.

Foto: Friso Gentsch

Der syrisch-libanesische Schriftsteller Adonis ist am Freitag mit dem Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück ausgezeichnet worden. In seiner Rede schrieb er Europa eine Mitschuld an dem Bürgerkrieg in seiner Heimat zu.

Europa habe sich mit rückständigen arabischen Kräften zusammengetan und sich an der Vernichtung der kulturellen Errungenschaften der vorislamischen Zeit beteiligt, erklärte der Autor. Es trage auch Mitverantwortung "für die Vertreibung von nahezu vierzehn Millionen arabischen Kindern, die von der Schulbildung abgeschnitten wurden, da selbst die Schulen zerstört wurden".

Die Flüchtlingsströme erinnerten Europa an seine große historische und auch aktuelle Verantwortung für die Entstehung neuer Tyranneien in der arabischen Welt, sagte der 86 Jahre alte Autor.

Adonis, der mit bürgerlichem Namen Ali Ahmad Said Esber heißt, forderte die arabischen Denker auf, einen Ausweg aus dem Konflikt zu suchen. Es gehe nicht nur um einen Regimewechsel, sondern um die Schaffung eines demokratischen Staates und die Trennung von Staat und Religion. "Die arabischen Intellektuellen müssen der Tyrannei der Regimes und ihrer Oppositionen ihre unmissverständliche Absage erteilen", sagte er.

Die Jury habe Adonis ausgezeichnet, weil er sich für eine Trennung von Religion und Staat einsetze und für die Gleichberechtigung der Frau, sagte der Vorsitzende der Jury, der Präsident der Universität Osnabrück, Wolfgang Lücke. "Adonis setzt sich unermüdlich für eine demokratische Willensbildung ein", sagte er. Der Schriftsteller sei ein wichtiger Vermittler zwischen arabischer und westlicher Kultur.

Nachdem Adonis im vergangenen Sommer als Preisträger bekanntgegeben wurde, hatte es heftige Kritik gegeben. Unter anderem wurde ihm eine Nähe zum syrischen Machthaber Baschar al-Assad vorgeworfen. Diesen Vorwurf erhob der Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels 2015, Navid Kermani. Diese Behauptung sei falsch, sagte der Osnabrücker Oberbürgermeister Wolfgang Griesert (CDU). Aber die Richtigstellung habe keine Chance gehabt, durchzudringen. Wegen des Streits um Adonis verzichtete die Bürgermeisterin von Lampedusa, Giuseppina Maria Nicolini, auf den ihr zugedachten Sonderpreis.

Er habe den Eindruck, dass man Adonis seit Ausbruch des Krieges in Syrien auch deshalb kritisiere, weil er - ebenso wie der syrische Machthaber Assad - Alawit sei, sagte Syrien-Experte Daniel Gerlach, der als Chefredakteur des Magazins "zenith" die Laudatio hielt. Das Regime opfere die Glaubensgemeinschaft der Alawiten aber mutwillig, und schere sich nicht um deren Wohlergehen. Die Alawiten seien in einer "teuflischen Situation" zwischen dem Assad-Clan und dem Zorn anderer Bevölkerungsgruppen. Deren Rache für das ihnen widerfahrene Leid richte sich nun oft genug gegen die Alawiten, sagte Gerlach.

Der seit 1991 alle zwei Jahre vergebene und mit 25 000 Euro dotierte Preis erinnert an den in Osnabrück geborenen Schriftsteller und Pazifisten Erich Maria Remarque (1898 - 1970), der mit seinem Anti-Kriegs-Roman "Im Westen nichts Neues" Weltruhm erlangte.

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