Alben von Bowie, Cave und Cohen Alles auf Schwarz

Bonn · David Bowie, Nick Cave und Leonard Cohen haben 2016 drei meisterhafte Alben geschaffen. Den drei Alben gemeinsam ist die vollkommene Übereinstimmung von Form und Emotion.

 „Blackstar“: Der Musiker David Bowie 2002 auf der Bühne in Montreux. FOTO: DPA

„Blackstar“: Der Musiker David Bowie 2002 auf der Bühne in Montreux. FOTO: DPA

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Tiefer als in den Songs seines letzten Albums „You Want It Darker“ ist Leonard Cohens Bariton nie hinabgestiegen. Der Titelsong mit der herausfordernden Zeile „You want it darker / We kill the flame“ formulierte so etwas wie das ästhetische Programm des Albums, gab die Richtung der Themen und des Tons vor. Cohen, der am 7. November im Alter von 82 Jahren gestorben ist, setzte sich mit dem Gefühl von Vergänglichkeit und dem eigenen Ende auseinander. „Ich bin bereit zu sterben“, hatte er kurz vor Veröffentlichung des Albums am 21. Oktober dem Magazin „The New Yorker“ anvertraut. „Ich hoffe, es wird nicht zu unangenehm.“

Das Popjahr 2016 kann man nur als schrecklich, als Annus horribilis beschreiben. Erst starb David Bowie, danach trauerte die Musikwelt um Prince und Leonard Cohen. Eine weitere niederschmetternde Nachricht kam im Sommer. Nick Caves Sohn Arthur war im Juli 2015 im Alter von 15 Jahren bei einem Sturz von Klippen in Südengland tödlich verunglückt.

Wie so häufig in der Kunst sind aus Katastrophen und hoffnungslosen Perspektiven große Werke entstanden. Bowie hat vor seinem Tod im Januar das Album „Blackstar“ veröffentlicht. Nick Cave brachte mit seiner Band The Bad Seeds im September „Skeleton Tree“ heraus, Cohen im Monat danach „You Want It Darker“.

Wer die CDs nebeneinanderlegt, stellt schnell ein verbindendes Element fest: die Farbe Schwarz. Cave nutzt sie für das Cover seines Albums am intensivsten. Cohen hat ein Künstlerfoto wie eine Fensteröffnung ins schwarze Bild eingebaut. Bowie platzierte einen schwarzen Stern auf weißem Hintergrund. Im Innern der CDs sind alle drei Musiker an Finsternis nicht zu überbieten. Bowies Songtexte kann man Schwarz auf Schwarz studieren. Den drei Alben gemeinsam ist die vollkommene Übereinstimmung von Form und Emotion. Fernab jeder Sentimentalität erzählen die Künstler ihre Geschichten. „Lazarus“ von David Bowie hat eine überwältigende Kraft, die aus düsterer Poesie („Look up here, I'm in heaven / I've got scars that can't be seen“) entstand, aus einem hypnotisierenden, soghaften Sound sowie dem stoisch anmutenden, doch gleichzeitig Seelenqualen spiegelnden Gesang. Donny McCaslins Saxofon unterstrich diese extremen Empfindungen.

Auch in den acht minimalistisch arrangierten Balladen des Albums „Skeleton Tree“ von Nick Cave & The Bad Seeds spielen Themen wie Verlust, Abschied und Tod eine zentrale Rolle. Das erste Lied, „Jesus Alone“, beginnt mit der Zeile: „You fell from the sky, crash-landed in a field near the river Adur.“ Der Titelsong endet mit den dreimal wiederholten Worten: „And it's all right now.“ Letzteres kann man als autobiografisches Geständnis lesen. Aber es ist mehr.

Nick Cave hat Musikstücke von düsterer Schönheit komponiert, aus Leid bewegende musikalische Gedichte entwickelt und geformt. „I Need You“ mit der Feststellung „Nothing really matters / When the one you love is gone“ ist ein bewegendes Sehnsuchtspoem. „Distant Sky“, bei dem die dänische Sopranistin Else Torp einen Gesangspart übernimmt, klingt wie ein Requiem. Cave findet mit dem Album einen Weg, künstlerisch mit dem Empfinden umzugehen, untröstlich zu sein.

Leonard Cohens Album „You Want It Darker“ klingt bisweilen wie der Soundtrack zur Totenfeier in einer Synagoge. Das ist das eine. Der Mann, der (vielleicht) zum Ende seines Lebens Gott abgeschworen und der Sexualität Adieu gesagt hatte („The wretched beast is tame“), setzte auf dem letzten Album immer wieder humorvolle Akzente. Und er lieferte mit dem Song „On The Level“ eine Hommage an die Liebe und die Frauen.

Das lyrische Ich, ein alter Mann, lässt sich da wider Willen von einem jungen Wesen bezaubern. „I said I best be moving on / You said we have all day / You smiled at me like I was young / It took my breath away“, singt Cohen mit einer Mischung aus Begehren und Resignation. „On The Level“ schlägt eine positive Note in der Abschiedssinfonie Cohens an. Das hat er immer so gehalten. Die Abgründe mochten tief und düster sein, in die er sein Publikum blicken ließ. Doch es gebe da etwas, sagte er in einer Ansprache während eines Konzerts 2008, das mit Dingen wie Krieg und Leid versöhne. Und er zitierte den Refrain des Songs „Anthem“: „There is a crack in everything. / That's how the light gets in.“ Ein Spalt, ein Riss findet sich in allem – so findet das Licht seinen Weg.

David Bowie: Blackstar (Sony Music). Nick Cave: & The Bad Seeds: Skeleton Tree (Kobalt Label). Leonard Cohen: You Want It Darker (Sony Music).

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