Materna spielt im Nees Attacke im Tierhaus

Bonn · Der Bonner Saxofonist Peter Materna stellt sein neues Album „Kiss“ mit seinem Quartett an drei Abenden im Restaurant Nees vor

 Wieder live: Peter Materna (rechts) mit seinem Quartett im Nees. Von links: Clara Haberkamp, Martin Gjakonovski und Silvan Strauss.

Wieder live: Peter Materna (rechts) mit seinem Quartett im Nees. Von links: Clara Haberkamp, Martin Gjakonovski und Silvan Strauss.

Foto: Benjamin Westhoff

„Willkommen zurück im konzertanten Leben“, begrüßt Peter Materna sein Publikum am Dienstagabend im Restaurant Nees und strahlt mit seinem Quartett um die Wette. Vor eineinhalb Jahren fand Maternas „Concert hour“, die achte der Reihe, zuletzt in diesem sehr intimen Spielort (die alte Remise diente einst als Tierhaus für die Zoologie) statt. Dann kam Corona. Materna ging als Intendant des Jazzfests an die Umplanung seines Festivals. Als Jazzmusiker ging er mit zwei Kollegen, der Bassistin Lisa Wulff und dem Schlagzeuger Silvan Strauss, ins Studio und nahm dort eine CD mit neuen Kompositionen auf: „Kiss“ knüpft nahtlos an frühere Projekte an, lässt aber auch neue Facetten aufblitzen, für die der Dialog zwischen Saxofon, E-Bass und Schlagzeug frische Impulse brachte.

Kostproben vom neuen Album

Das neue Album erscheint am 22. Oktober. Kostproben davon gab und gibt es aber auch jetzt in einer Serie von drei Konzerten im Nees, die am Dienstag startete. Was die Vorpremiere etwas trübte, ist, dass Wulff nicht spielen konnte. Obwohl mit Martin Gjakonovski am Kontrabass ein klasse Einspringer ins Quartett kam, fehlte Wulffs Power am E-Bass als Gegenpart zu Maternas bisweilen ungewohnt recht aggressivem und auch lautem Tenorsaxofon. Anfangs hatten die Pianistin Clara Haberkamp als Gast und Gjakonovski hörbar Mühe, gegen die Klangwucht von Materna und Strauss’ Schlagwerk anzukommen.

Das änderte sich zusehends. Gerade in den sanfteren Stücken, etwa in der wunderbaren Ballade „Wish You Were Here“ oder in dem betörenden Jazz Waltz „343“, agierten die vier Musiker als homogenes Quartett, in dem sich das Schlagzeug etwas zurücknahm, Haberkamp ihre anfängliche Zurückhaltung aufgab und mit kräftigerem Anschlag improvisierte. Ihre ganze Spielkultur kam im wilden, funkigen „Place To Be“ und der Ballade „Kiss“ – wie die vorangegangenen Stücke aus dem neuen Album – sowie in Maternas locker-leichtem Evergreen „The Dancer“ zum Tragen.Tolle Momente hatte sie besonders in „343“ quasi im Duett mit Gjakonovskis Bass. Letzterer glänzte auch in „Oxygen 2“, das so heißt, weil es dem Saxofonisten gerade beim orientalisch flirrenden Thema einiges an Puste abverlangt. Materna hatte in diesem Stück ordentlich zu tun – ist aber hörbar gut im Training. Fantastisch, wie er von einem gehauchten, fast verlöschenden Spiel – angespornt und sekundiert von dem fabelhaften Strauss am Schlagzeug – blitzschnell auf Attacke umschalten kann und sich dann mit hohem Tempo und mit atemberaubenden Läufen auf Improvisationstour begibt.

Bis an die Grenzen des Instruments

Mit einem bedächtigen, zarten Tenor-Intro, das das Thema ins Spiel bringt, ersten Variationen, dann mit einem verschärften Tempo, das aggressiv an die Grenzen des Instruments geht, einer folgenden kontemplativeren Phase, die in einen gehauchten Ton mündet, hatte Materna im Auftakt-Stück des Abends alle Register gezogen: „Hymne“ vom neuen Album erklang in einer üppigen Zehn-Minuten-Version. Das Stück ist etwas sperrig, bot sich aber als Spielwiese für den Anfang geradezu an. Der immer wieder hörenswerte Materna-Klassiker „Weird Song“ krönte diesen besonderen Abend. Und alle waren sichtlich glücklich, wieder im konzertanten Leben zurück zu sein.

Konzert: Peter Materna spielt am 7. Oktober, 19 Uhr, im Nees. Karten bei Bonnticket. Das Album „Kiss“ (CD und Vinyl) erscheint am 22. Oktober bei Jazzline

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