Ausstellung Auftakt im Arpmuseum mit Salvador Dalí

Bonn · Das Arp Museum Rolandseck eröffnet die Saison mit Salvador Dalí, Hans Arp und Jonas Burgert. „AufDADAtakt“ am Sonntag mit Führungen, Performances und Workshops.

 Leihgabe aus der Tate Gallery in London: Salvador Dalís „Die Metamorpohose des Narziss“, 1937

Leihgabe aus der Tate Gallery in London: Salvador Dalís „Die Metamorpohose des Narziss“, 1937

Foto: Tate / Tate Images/Dalí, Salvador

Er war ein Genie, zugleich ein Scharlatan und eitler Pfau; er konnte Träume differenziert ausformulieren wie kein anderer und sich aber auch aufführen wie ein Großmaul mit Schnurrbart; er war mit seinem Freund Luis Buñuel ein begnadeter Bürgerschreck und Provokateur, konnte sich aber ebenfalls beim spanischen Diktator Francisco Franco einschleimen, was ihm viele zu Recht übel genommen haben; er war eine entscheidende Figur des Surrealismus und gleichermaßen so umstritten, dass der Gründer der Bewegung, André Breton, ihn exkommunizieren wollte, dafür aber nie eine Mehrheit bekam: An Salvador Dalí scheiden sich die Geister. Man meint, alles gesehen zu haben und doch bilden sich lange Schlangen vor dem Dalí-Museum in Figueres. Der Katalane, der zeitlebens ein Händchen für die Selbstvermarktung hatte, ist eine Marke. Und wer meint, Dalí sei überschätzt: Ein Blick etwa auf dessen Blätter zum Epos „Chants de Maldoror“ des Dichters Lautréamont oder der wegweisende Entwurf für einen Pavillon der Weltausstellung 1939 in New York mit dem begehbaren „Traum der Venus“ dürften den Kritiker nachdenklich machen.

Auf beide Werke darf man sich freuen, wenn das Arp Museum in Rolandseck am Sonntag sein Surrealismus-Jahr mit viel Kunst und Musik startet. Eine beachtliche Premiere und einen Coup hat Arp-Chef Oliver Kornhoff auch noch zu bieten: Erstmals werfe eine Ausstellung ein Licht auf die von hoher Wertschätzung geprägte und mit deutlichen Parallelen garnierte künstlerische Beziehung von Dalí und dem 18 Jahre älteren Hans Arp.

Prominente Leihgaben

Das Konzept von „Salvador Dalí und Hans Arp. Die Geburt der Erinnerung“ war offensichtlich so überzeugend, dass sich Häuser wie das MoMA in New York, das Thyssen-Bornemisza in Madrid, die Londoner Tate Gallery, die Fundació Gala-Savador Dalí in Figueres von ihren Dalís trennten und sogar das Hiroshima Prefectural Art Museum sein riesiges Bild „Traum der Venus“ nach Rolandseck schickte. Insgesamt zwölf Gemälde, etliche Zeichnungen, Grafiken und Fotografien des Spaniers zeichnen ein facettenreiches Panorama des verrückten Dalí-Kosmos. Der wird durch eine hinreißende Schau im Bahnhof Rolandseck flankiert, die sich dem Mythos und der Marke Dalí widmet. Der Katalane war über Jahrzehnte Coverboy für internationale Illustrierten, hat für alles Mögliche Werbung gemacht, Colaflaschen, Plakate und Parfümflacons entworfen. Er hat auch zusammen mit Buñuel, „Le Chien andalou“ und „L’Age d’Or“ Filmgeschichte geschrieben. Beide Werke sind in der Ausstellung zu sehen. Außerdem Fotos von Philippe Halsman und Eric Schaal. Und wer sich direkt in die Kunstwelt von Dalí versenken will, hat dazu mit der Datenbrille auf der Nase Gelegenheit: Die virtuelle Reise „Dream of Dalí“ aus Florida ist ein Muss dieser Schau.

Beethoven im Boot

Sehr geschickt hat Kornhoff auch die Beethoven Jubiläumsgesellschaft mit ihrem Etat an Bord geholt: Als Teaser diente ein fantastisches, mit Tintenfischtinte gemaltes, halbabstraktes Beethovenporträt von Dalí (1973), das das Museum in Figueres nun erstmals ausgeliehen hat. Arp und Dalí gehen in der Ausstellung eine hochinteressante Allianz ein: So grundverschieden ihre jeweilige Arbeit auch ist, es gibt etliche Details, die beide Welten verbindet, allen voran Arps organische Abstraktion, die sich in Dalís Bildern wiederfindet, oder die von den Dadaisten wie Surrealisten geschätzte kreative Potenz des Zufalls. Und so bewegen sich so unterschiedliche Werke wie Dalís „Traum verursacht durch den Flug einer Biene und einem Granatapfel vor dem Erwachen“ und „Die kleine Sphinx“ oder „Blatt einer Frau“ von Arp auf verwandten Bahnen.

Das exquisit bestückte Surrealisten-Kabinett und die herausragende Dokumentation über das Projekt „Der Traum der Venus“ für die Weltausstellung in New York gehören zu den Höhepunkten der Schau: eine surreale Grotte mit Meerjungfrauen, einer schlafenden Venus, umgeben von einer Klangcollage (die erstmals wieder zu hören ist) und einem typischen Panorama mit zerfließenden Uhren und brennenden Giraffen, das aus Hiroshima kam. Ein schaurig-schönes Stück Kunstgeschichte.

Dabei ist der Surrealismus noch gar nicht abgehakt, wie das Hauptgeschoss des Meierbaus zeigt, wo Jonas Burgert (1969 geboren) ins Riesenformat aufgeblähte, morbide Szenarien zeigt. Es ist eine verstörende, mitunter aber auch recht banale Malerei, die jeweils mehr oder weniger lädierte Figuren in ruinösen Unorten zeigt. „Ich male dreckige Ecken, denn im Dreck kann Schönheit entstehen“, meint Burgert, der extra für die Ausstellung neun riesige Wimmelbilder oszillierend zwischen Hieronymus Bosch und Fantasy-Film gemalt hat. Sehr routiniert und perfekt, mitunter mit Neonfarben und abstrakter Geste wird hier der „Abrieb eines Lebens“ (Burgert) inszeniert. Er hat es nicht leicht: Bei aller versuchter Monumentalität findet Burgert in Dalís differenzierten Mittel- und Kleinformaten seinen Meister. Oder er trotzt ihm. Man wird sehen.

Auch Dalí war nicht vor Fehleinschätzungen gefeit. Über „Das goldene Zeitalter“ sagte er: „An einem einzigen Abend machte unser Film ein Jahrzehnt pseudo-intellektuellen Nachkriegs-Avantgardismus zunichte. Diese Gemeinheit, die man so konkret abstrakte Kunst nennt, fiel uns tödlich verwundert vor die Füße um nie wieder aufzustehen.“ Der Meister irrte.

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