Mit Ferienprogramm Ausstellung „Kunst des Gärtnerns“ auf Burg Lede

Bonn · Die außergewöhnliche Ausstellung „Kunst des Gärtnerns“ der Galerie Parrotta Contemporary Art auf der Bonner Burg Lede versammelt gärtnernde Künstler und künstlerische Gärtner.

 Wie eine Märchenkulisse: Die Burg Lede in Bonn-Vilich, ein Bau aus dem frühen 20. Jahrhundert, ist der Sitz der Galerie Parrotta Contemporary Art.

Wie eine Märchenkulisse: Die Burg Lede in Bonn-Vilich, ein Bau aus dem frühen 20. Jahrhundert, ist der Sitz der Galerie Parrotta Contemporary Art.

Foto: Thomas Kliemann

Wenn Künstler zu Gärtnern werden und Gärtner zu Künstlern – diesem Phänomen lässt sich pointiert und kurzweilig in einer Ausstellung der Galerie Parrotta Contemporary Art auf Burg Lede nachspüren. „Poesie des Gärtnerns. Der Garten als Metapher und künstlerisches Wirkungsfeld“ nennt sich die Schau, die Bettina Haiss, Birgit Kulmer und Sandro Parrotta in den historischen Gemäuern und im 4,8 Hektar großen Garten präsentieren. Ein rundes Dutzend Künstler ist vertreten, darunter ausgewiesene und international renommierte Natur-Künstler wie Lois Weinberger und Ian Hamilton Finlay. Ersterer, im April dieses Jahres verstorben, bringt die Natur als Metapher für den Kreislauf des Lebens ins Spiel: Eine Serie von Fotografien zeigt den Oberkörper von Weinberger, einmal wie der Künstler Erde im Arm trägt, als sei es ein Kind, dann wie er eine mumifizierte Katze, ein Büschel Unkraut und eine Art Alraunenwurzel trägt. Finlay thematisiert auf einem Baumstamm mit einem Zitat von „Julie oder die neue Héloise“ das Werk von Jean-Jacques Rousseau, der sich gleichermaßen als Gartenphilosoph wie als Theoretiker der französischen Revolution einen Namen machte. Passend dazu eine Lithografie mit einer Guillotine, die von Geißblatt umrankt ist. Natur ist nicht nur Idylle.

Der Gesang der Erde


Die Natur als Sphäre spiritueller Einkehr spielt im Werk der franziskanischen Ordensschwester Pietra Löbl eine große Rolle, etwa wenn sie übers Jahr Blütenblätter vom Magnolienbaum im Klostergarten aufsammelt, presst und daraus eine Schale baut, ein Gefäß der Vergänglichkeit. Oder wenn sie den ausgetrockneten See von Burg Lede mit weißen Tüchern markiert. Blühen und vergehen manifestiert sich auch im umfangreichen Apfelprojekt von Antje Majewski und Pawel Freisler, das von Katrin Vellraths Hymne „Apple Cuckoo - Singing tho the Earth“ komplettiert wird, die über den Burggraben schallt. Afra und Laura, Sunita, Lilly und Sapro Mira sind keine Mädchennamen, sondern wie Blauer Schwede, Bamberger Hörnchen und Blaue Anneliese mitunter sehr seltene Kartoffelsorten, die Antonia Lotz und Susanne M. Winterling im Park von Burg Lede als Plädoyer für Artenvielfalt gepflanzt haben.

Zum Aktionsfeld wird der Garten bei Georg Winter, der die alten eingefassten Gemüsebeete im Burggarten durch schmale Planken zur Bühne macht — mit den Vorteilen, dass die Beete so trockenen Fußes erreicht werden können und sich unter den Brettern über Nacht die Schnecken sammeln. Das dünne Brett markiert die Gratwanderung des Menschen im Umgang mit der Natur. Nicht weit davon entfernt stehen Gabriela Oberkoflers Bienenstöcke, deren Form nicht zufällig die Anmutung von Grabsteinen hat. Die Bienen und ihr Ökosystem (das auch unseres ist) sind in Gefahr. Die Stöcke auf Burg Lede aber sind gut bevölkert.

Beuys und Blume

Unter der Stuckdecke und etlichen Lüstern im Inneren der Burg faszinieren unter anderem ein wanderndes Lichtband in den Fotografien von Ursula Schulz-Dornburg, der wunderbar respektlose Dialog zwischen Joseph Beuys und Bernhard Johannes Blume in einer Fotostory mit Text sowie die aufragenden Obst- und Gemüsestelen von Björn Braun. Noch in Arbeit ist das hochinteressante Werk von Gabriel Rossell Santillán in der Scheune, in dem es um indigene Setzungen und koloniale Überformungen geht. Corona machte dem Mexikaner zeitweilig einen Strich durch die Rechnung.

Der vielleicht anrührendste Beitrag dieser außergewöhnlichen Ausstellung ist eine Fotodokumentation: Howard Sooley unterstützte den britischen Filmregisseur Derek Jarman nicht nur bei seinem Gartenprojekt, er fotografierte auch. Bei den Recherchen für seinen Film „The Garden“ war Jarman 1986 auf die verlassene Fischerhütte „Prospect Cottage“ in einer absolut unwirtlichen Gegend bei Cape Canaveral gestoßen. Jarman ließ sich hier nieder, um vor dieser kargen, traurigen Kulisse seinen aussichtslosen Kampf gegen Aids zu führen. Dennoch ein Ort der Ruhe, wo er bis zu seinem Tod 1994 lebte. Sooleys Fotos zeigen nicht nur die einfache Hütte, sondern auch die äußerst karge Vegetation, behangen mit Fundstücken, Treibholz und Muscheln. „Ich war immer ein passionierter Gärtner“, schrieb Jarman, „Blumen strahlten durch meine ganze Kindheit wie sie es in einer mittelalterlichen Handschrift tun.“ In der kargen Einöde mit ihren schweren Kiesböden und den salzhaltigen Winden hat er seinen gärtnerischen Kindheitstraum umgesetzt. Starker Schlusspunkt einer sehr gelungenen Schau, deren Besuch auch denen zu empfehlen ist, die einen Blick auf dieses traumhafte Anwesen nebst Park der Burgherren Kulmer und Parrotta werfen wollen.

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