Schönes Gift Ausstellung „Toxic“ eröffnet in der Galerie Clement

Bonn · Der Kölner Designer Mike Meiré zeigt in der Bonner Galerie Gisela Clement seine Rauminstallation „Toxic“: Alltagsdinge und billige Materialien im edlen Ambiente.

 Müllsack an der Wand, Keramiken auf den Sockeln: Für die Galerie Clement hat Mike Meiré ein ganz besonderes, cooles Ambiemte geschaffen, das Alltagsdinge und -materialien in den Kunstkontext stellt. 

Müllsack an der Wand, Keramiken auf den Sockeln: Für die Galerie Clement hat Mike Meiré ein ganz besonderes, cooles Ambiemte geschaffen, das Alltagsdinge und -materialien in den Kunstkontext stellt. 

Foto: Galerie

„Für ‚Toxic‘ setzt Mike Meiré Werke von irritierender Schönheit in Szene und schafft einen energetisch aufgeladenen Raum, der zutiefst verunsichert“, lesen wir auf der Homepage der Galerie Gisela Clement. Irritierend ist zunächst die Gestaltung des Ausstellungsraums im Galeriehaus an der Lotharstraße, die von Uwe Schröders Architektur kaum etwas übrig lässt: grauer Teppich, der sich die hohe Sockelleiste hochzieht, edle graue Podeste, grau gestrichene Wände, ein cool-kulinarisches Arrangement von Wandobjekten und Keramiken.

Alles sehr schick. Nichts bleibt dem Zufall überlassen in diesem gleichermaßen flauschigen wie aseptischen Ambiente. Der Kunstraum wird zur Boutique. Was in dieses durch und durch kalkulierte Design, diesen kühlen Showroom zunächst nicht zu passen scheint, ist der Charakter der gezeigten Exponate. Deren aufreizende Ärmlichkeit und tiefstapelnde Materialität (die sich freilich nicht in der Preisgestaltung niederschlägt) erstaunt: Meiré arbeitet mit unterschiedlich lackiertem Zeitungspapier und plan aufliegenden Müllsäcken, stapelt Seifenblöcke und nennt sie originell „Panic Room, Model“, hängt rosafarbenen Bau-Schaumstoff an die Wand, „Rosa Relief (Beautiful Agony)“.

Ein Arbeitshandschuh aus Neusilber

Seine dreidimensionalen Objekte sind veredelte Alltagsdinge, etwa ein Arbeitshandschuh in Neusilber oder ein Zwitter aus dem Homepod von Apple und einer Thermoskanne in wunderschön glasierter Keramik („Iris/Ambient-Adagio“). Und über dem gesamten, hochartifiziellen Arrangement schwebt der Begriff „Toxic“, giftig. Was sich auf die Materialien Plastik, Farbe und Keramikglasur beziehen lässt und in jedem Fall gefährlich klingt.

Man könnte auch ein Parfüm kokettierend „Toxic“ nennen, über die Auswirkungen giftig bis anregend entscheidet schließlich die Dosis. Längst hat der Begriff eine gesellschaftliche, sozio-psychologische Relevanz bekommen: Toxische Beziehungen etwa schwanken permanent zwischen Glück und Katastrophe; toxische Männlichkeit bezeichnet die Vorstellung, Männer müssten sich möglichst emotionslos, kontrollsüchtig und dominant verhalten, um ihrem Geschlecht „gerecht“ zu werden; toxische Menschen sind oft verbohrt, uneinsichtig und unbelehrbar, sind gar nicht daran interessiert, die Sichtweise des anderen zu sehen und zu verstehen, toxische Menschen haben selten Schuldgefühle, wenn sie andere verletzt haben.

Design für Porsche und Telekom

Das Bild des Parfüms gefällt mir am besten. Passt auch zu dem Kölner Designer und Kreativberater Meiré (Jahrgang 1964), Mitinhaber der Agentur Meiré und Meiré, die für Porsche, die Telekom und Lamy, Dornbracht und Rheinenergie, für die Branding-Strategie der Berlin Biennale und das neue Layout der Neuen Zürcher Zeitung gearbeitet hat und für das Erscheinungsbild von Magazinen wie „Garage“, „Blau“ und „Brand eins“ verantwortlich ist. „Die Marke Mike Meiré steht für viel Stil und ein bisschen Wahnsinn“, schrieb einmal die „Welt“ und präsentierte Rauminszenierungen Meirés, die er während der Art Cologne 2018 zeigte. In diesem Kontext steht „Toxic“ in der Galerie Clement.

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