Die Werkstätten des LVR-Museums in Bonn Blick ins Allerheiligste

Bonn · Am Europäischen Tag der Restaurierung öffnet das LVR-Landesmuseum im Rahmen von Führungen seine Werkstätten. Zu sehen gibt es die Restaurierungsabteilungen und allerhand spannende Projekte der dort Arbeitenden.

 Der Vergangenheit auf der Spur: Die Abteilung für Gemälde-Restaurierung im LVR-Landesmuseum.

Der Vergangenheit auf der Spur: Die Abteilung für Gemälde-Restaurierung im LVR-Landesmuseum.

Foto: Jürgen Vogel LVR/Jürgen Vogel/LandesMuseum Bonn

Es gehört schon viel Fantasie und ein ausgeprägter detektivischer Antrieb dazu, aus einem Bündel korrodierter Metallteile, die bei Erkelenz ausgegraben wurden, zu schließen, was das vielleicht mal gewesen sein könnte. Fantasie, aber auch Wissen und modernste Untersuchungsmethoden. Holger Becker, Metall-Restaurator am LVR-Landesmuseum Bonn, bekam diesen rätselhaften Fund – „es war ein Ufo“ – auf den Tisch. Erste Spekulationen gingen von einem antiken Kochgestell aus. Doch es wurde spannender.

Am Ende der Recherchen entpuppte sich der Metallklumpen als Gefüge aus Stäben, die zu einem römischen Klappsessel aus dem 1. Jahrhundert nach Christus gehören, das einzige existierende Exemplar dieser Gattung: „Es war ein Prototyp“, erläutert Becker. Das gefundene Material reichte sogar aus, um eine Rekonstruktion des Sessels als Funktionsmodell zu wagen. Ein Kunstschmied baute den antiken Klappstuhl nach. Dieses Objekt und die gefundenen Metallstücke gehörten zu den Attraktionen der Bonner Ausstellung „Roms fließende Grenzen. Leben am Limes“.

Antiker Stuhl als Puzzle

Becker kann sich an etliche weitere spannende Restaurierungen erinnern. Die sportlichste war wohl ein in Speyer gefundenes, unvollständiges Puzzle – „ohne Anleitung“ – aus unzähligen Kleinteilen. Ein Jahr hatte er Zeit, um es zusammenzusetzen. Die Vermutung: Ein antiker zusammensteckbarer Stuhl, zu dem es zwar alte Illustrationen, aber kein existierendes Objekt gab. Die Restaurierung und Rekonstruktion gelang. Der mit Silber überzogene antike Eisen-Stuhl kam aus Ungarn, wurde von Hunnen geraubt, dann zerstört, kam nach Speyer, wurde als Schatz vergraben und wieder ausgebuddelt, schließlich von der Polizei sichergestellt. Derzeit kann man den spektakulären Stuhl in einer Ausstellung in Trier bewundern. 

Am Europäischen Tag der Restaurierung, dem 16. Oktober, öffnet das LVR-Landesmuseum Bonn seine Restaurierungswerkstätten: In drei exklusiven Führungen können Besucher das Allerheiligste des Museums besichtigen. So nah kommt man der Kunst sonst nicht, so verletzlich zeigen sich Gemälde und Skulpturen, Keramiken oder Schmuckstücke gewöhnlich auch nicht. Mit Lupenbrille, Mikroskop oder Röntgengerät wird die Kunst auf Schäden, Spuren der Vergangenheit, Mikroorganismen, die ihr zusetzen können, untersucht. „Es geht auch darum, was ist es überhaupt“, sagt Becker.

Bei dem Rundgang lernt man verschiedene Restaurierungsabteilungen kennen – sortiert nicht nach Epochen, sondern verschiedenen Materialien –, kann Fragen stellen, zum Beispiel über die akademische Ausbildung für Restauratoren und die Berufspraxis.

In den Restaurierungswerkstätten, untergebracht in einem viergeschossigen Gebäude neben dem Landesmuseum, warten antike Mosaike aus einer aktuellen Bonner Grabung darauf, bearbeitet zu werden, werden alte Holzboote konserviert und untersucht, ganze Grabungskomplexe in Gipspaketen kommen unter das Röntgengerät.

„Restaurierung bedeutet nicht, Dinge schön zu machen“, sagt Becker, „wir sind Teil der archäologischen Forschung und der Forschung am Kunstwerk“. „Für uns sind die Funde historische Quellen, es geht darum, die Information, die an dem Objekt dranhängt, durch die Restaurierungsarbeiten wieder lesbar zu machen“, erklärt Becker. Ein Stück sage viel über Materialität, technologisches Know-how und handwerkliche Fähigkeiten aus, bis hin zu Handelsbeziehungen. Becker erzählt von frühmittelalterlichen Schmuckstücken aus der Region, in die Almandine eingesetzt waren. Diese Schmucksteine kamen aus Indien, gelangten über die Seidenstraße bis zu uns. Bei der Rechereche arbeiten die Restauratoren Hand in Hand mit den Archäologen und Kunsthistorikern, 

Im bundesdeutschen Vergleich zählen die Restaurierungswerkstätten des Landesmuseums zu den großen, erzählt Becker, und sie haben einen exzellenten Ruf: „Hier sind viele Verfahren entwickelt worden , die heute Standard sind“, beim Röntgen seien die Bonner schon früh am Start gewesen. 

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