Debatte um kulturelle Aneignung Blondinen bevorzugt

Bonn · Die Debatte über kulturelle Aneignung im Karneval hat nicht groß zum Umdenken geführt und ebbt zum Sessionsende ab. Dafür kommt eine andere Debatte in Fahrt: Es geht um Blondinen.

 Eine Frau als Indianerhäuptling: Kann das gehen?

Eine Frau als Indianerhäuptling: Kann das gehen?

Foto: picture alliance / dpa/Daniel Karmann

Eine nicht repräsentative, in Gestalt von Stichproben im Bonner und Kölner Karneval erhobene Studie zum Thema „kulturelle Aneignung“ im Karneval hat ergeben, dass das Thema zwar einen publizistischen Vorlauf hatte, nicht jedoch Konsequenzen in der Kostümwahl. Auf Sitzungen und Partys wurden unverändert viele „Indianer“, „Afrikaner“ und „Eskimos“ gesichtet. Gespräche über das Thema mündeten oft in der auch von dem Bonner Philosophieprofessor Martin Booms im GA geäußerten These, bei der im Karneval üblichen Verkleidung handele es sich um das dem Karneval eigene Rollenspiel und Spiel mit Klischees und nicht um eine böswillige kulturelle Aneignung. Überhaupt sei der rheinische Karneval auf Integration aus und nicht auf die Herabwürdigung anderer.

Kultureller Diebstahl

Das Thema ist aber nicht aus der Welt. Und so lohnt der Blick auf Statements, die jetzt zur Hochzeit und zum Finale des Karnevals laut werden. So meint der Politik- und Sozialwissenschaftler Lars Distelhorst: „Mit Blick auf Karneval glaube ich nicht, dass der Begriff der kulturellen Aneignung wahnsinnig weit trägt. Zum einen, da er wie gesagt  vor allem auf eine Fehlübersetzung zurückgeht. Wir müssten ja eher von kulturellem Diebstahl sprechen.“ Distelhorst weiter: „Und man kann sich natürlich schon die Frage stellen: Warum ist jedem klar, dass man sich nicht als SS-Mann verkleidet, während man immer noch so etwas wie Blackfacing oder die herabsetzenden Karikaturen der Kleidung indigener Gemeinschaften sieht?“

Oktoberfest in Chicago

Jacques Tilly, Düsseldorfs prominenter Wagenbauer, hatte beim Rosenmontagszug auch das Thema „kulturelle Aneignung“ auf einem Mottowagen. Dazu sagte er: „Ich sehe diese neue Form der Cancel Culture kritisch. Da dürfen Leute mit Dreadlocks ihr Reggae-Konzert nicht zu Ende spielen, weil sie weiß und nicht aus Jamaica sind. Das ist doch Irrsinn. Als ich in Chicago war, wurde dort Oktoberfest gefeiert. Soll ich mich beleidigt fühlen, weil ich mich als Deutscher nicht als bierseligen Suffkopf in Lederhosen dargestellt sehen will, der zur Blasmusik tanzt?“

Spätestens ab 11.11.2023 wird die Debatte wieder aufleben. Eine andere kommt jetzt in Fahrt. Soziologieprofessorin und Autorin Tressie McMillan Cottom, eine Afroamerikanerin, hat scharf kritisiert, dass sich Frauen, die von Natur aus dunkle Haare haben, blond färben. „Künstlich Blondierte beanspruchen die Symbolik der begehrten Haarfarbe, die nicht ihre natürliche ist, für sich. Weil es sich bei blonden Haaren um ein ausschließliches genetisches Merkmal von Weißen handelt, scheint der Wunsch danach besonders problematisch“, interpretiert die „Neue Zürcher Zeitung“.

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