Konzerte ausverkauft Tingvall Trio bringt Jazz in die Harmonie in Bonn

Bonn · Das Tingvall Trio ist mit Stücken der CD „Dance“ und zwei ausverkauften Konzerten zu Gast in der Harmonie.

Pianistisches Powerplay: Martin Tingvall in der Harmonie.

Pianistisches Powerplay: Martin Tingvall in der Harmonie.

Foto: Walter Schnabel

Man spürt die kollektive Betriebsamkeit, meint das Flackern der Lichtreklamen, der Ampeln und Warnleuchten zu sehen und das gleichmäßige, sonore Brausen des Verkehrs zu hören – in dieser Metropole, die nicht schläft: Martin Tingvalls rockig hämmernder Anschlag, das mit einem Dauerlächeln im Gesicht wütend bearbeitete Schlagzeug Jürgen Spiegels und die erhitzten, fahrigen Bassläufe von Omar Rodriguez Calvo lassen ein impressionistisches Klanggemälde entstehen: Das Stück „Tokyo Dance“ eröffnet den ersten von zwei ausverkaufen Konzertabenden in der Harmonie.

Ohne Aufwärmzeit geht das Trio voll zur Sache, und auch als Tingvall bei dieser ohnehin flotten Ballade plötzlich das Tempo verdoppelt, ziehen alle mit. Für höchste Präzision und eine hinreißende Dynamik ist das Weltklassetrio des Schweden mit Wohnsitz in Hamburg ohnehin bekannt. Für die wunderbaren Stimmungen, die es erzeugt, auch. Das Publikum in der Harmonie ist am Mittwochabend von Anfang an hingerissen.

Sie tanzen sich durch die Szene

Das letzte Bonner Trio-Gastspiel von einer ganzen Reihe war 2019, im Coronajahr 2020 kam die brillante CD „Dance“ heraus. Als die Lockdowns vorbei waren, startete das Trio eine Release-Tour. Seitdem tanzen sie sich durch die Szene. Auch in der Harmonie standen die rhythmisch vertrackten und mit wechselndem Kolorit versehenen Tanz-Nummern im Vordergrund, der atemberaubend schnelle, Flamenco-getriebene „Spanish Swing“, das rockige „Dance“, das martialische „Riddaren“ (Der Ritter), die als feurige Samba daherkommende „Cuban SMS“, das faszinierende „Puls“, allesamt Nummern, die großen Raum für Improvisation öffnen, dabei aber einer klaren Struktur folgen. Die Drei sind permanent in Kontakt, ein Blick, ein Lächeln, alles läuft. Mit „Vägen“ (Weg), das Titelstück der 2011 erschienene gleichnamigen CD, warf Tingvall einen Blick zurück auf ruhigere Zeiten. Noch spannender waren aber die Blicke in die Zukunft, auf neue Stücke, die vielleicht das nächste Album prägen. Da ist das nervös flatternde, dann wieder ganz ruhige „Kolibri“, ein sehr bewegliches pianistisches Virtuosenstück mit sehr spannendem Verlauf. Oder das mechanisch hämmernde „Der Specht“, bei dem die Drei wie ein Räderwerk ineinander greifen. Oder ein noch nicht benanntes Werk mit gestrichenem Bass und zauberhaften Harmonien.

„Et wird wohl um Vöchel gehen“, meinte ein Besucher auf breitem Bönnsch, wahrscheinlich kreist die nächste CD um Vögel. Sind die wilden Zeiten vorbei? Tingvall sagt gegen Ende des Konzerts: „Wir hatten jetzt zwei Stunden Spaß“, jetzt gehe es darum, zu benennen, was falsch läuft auf unserem Planeten: Die Nummer „S.O.S.“ reichert den pulsierenden Tingvall-Sound mit einer Prise Melancholie an. Ein starkes Stück mit einer politischen Note. Schon 1979 sang Sting „I′ll send an S.O.S. to the world“ im Police-Stück „Message In A Bottle“. Da ging es aber um eine sehr persönliche Flaschenpost.

Nach einer Zugabe verabschieden sich die Drei „bis morgen“.

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