Zum 90. Geburtstag Bonner Architekturkritiker mit Ausstellung gewürdigt

Bonn · Die Bonner Gesellschaft für Kunst und Gestaltung würdigt den Architekturkritiker und Künstler Walfried Pohl zum 90. Geburtstag mit einer Schau. Mit Luzia Mayer realisierte er das Expo-2000-Projekt "Aus Hecken werden Häuser".

 Architekturtheoretiker und Kunstpraktiker: Der gebürtige Berliner und Wahlbonner Walfried Pohl.

Architekturtheoretiker und Kunstpraktiker: Der gebürtige Berliner und Wahlbonner Walfried Pohl.

Foto: Thomas Kliemann

Das Bonner Expo-2000-Projekt ist immer noch Walfried Pohls Lieblingskind. Und er ist darauf ähnlich stolz wie auf die späte Promotion bei Eduard Trier über den Architekten Karl Buschhüter. Zwar ziehen sich Gedanken zum Konstruktiven und zur Baukunst, Kunst-Bausteine und Gestaltungsprinzipien der Architektur wie ein roter Faden durch die Ausstellung in der Gesellschaft für Kunst und Gestaltung (gkg) – und durch Pohls Leben. Doch der Künstler, der einem da mit Schlaglichtern auf eine bemerkenswerte Karriere begegnet, ist viel vielschichtiger und komplexer. 90 Jahre Walfried Pohl – am 9. August 1929 wurde er in Berlin geboren.

„Das Expo-Projekt 'Aus Hecken werden Häuser – Bauwerke als Baumwerke' war etwas ganz Besonderes, so etwas gibt es auf der Welt nicht noch einmal“, sagt Pohl beim Besuch in seiner denkmalgeschützten Südstadtwohnung. Und seine Frau, die Aktionskünstlerin Luzia Mayer, mit der er das Projekt damals ab 1996 durchgezogen hat, bringt eilig Pläne und Konzepte aus der Zeit. Auch sie ist noch ganz begeistert und beseelt vom „Sprung ins Glück“ und „Grünen Klassenzimmer“, vom „Reisignest“ und „Gartenhaus 'la folie'“ – so heißen einige der insgesamt rund 50 Weiden-Bauten. „Das waren die Grundzüge des ökologischen Bauens“, erklärt Mayer und schwärmt, „das Grüne Klassenzimmer ist heute noch schön“.

Die grüne Spielstadt

Zu finden ist es mit etlichen prächtig zugewachsenen Überbleibseln auf dem Gelände hinter der ehemaligen Stadtgärtnerei am Rande des Meßdorfer Feldes. Natur auf mehreren Tausend Quadratmetern, Abenteuerspielplatz, Raum für Picknicks und Kultur. „Die Stadt würdigte das gar nicht richtig“, klagt Pohl und erzählt von der überregionalen Resonanz, die „Aus Hecken werden Häuser“ im Expo-Jahr hatte. Und er ist dankbar, dass 2006 der Bonner Wissenschaftsladen die Trägerschaft des Naturbau-Biotops übernommen hat – als „grüne Spielstadt“, die von April bis September, jeweils am ersten Sonntag des Monats, erkundet werden kann.

Von den Expo-Plänen geht der Blick an die Wände, wo neben Gemälden von Horst Rave eine Reihe von „Permutationen“ Pohls hängt – ein Element wird nach einer bestimmten Formel variiert und verwandelt. Und dann Bücher bis unter die Decke – eigene und zusammengetragene. „Mein Mann tanzt auf vielen Hochzeiten“, sagt Mayer verschmitzt. Vier Kapitel in der gkg-Schau geben einen kleinen Eindruck dieser „vielen Hochzeiten“ und disparaten Interessen Pohls. Da ist der Zeichner und Maler, der Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre ganze Skizzenbücher mit Akten, flüchtigen Eindrücken und Selbstporträts füllt. Später malt er figurative Gemälde, die Fernand Légers Stil ebenso spiegeln wie die Pittura Metafisica von Giorgio de Chirico. 1960 zieht es ihn für einen Studienaufenthalt nach Spanien an die Costa Brava nach Selva del Mar. Zuvor hatte er in Köln Grafikdesign gelernt, sammelte auf der Werkkunstschule erste Kunsterfahrungen und arbeitete als Werbeleiter in der Industrie. In Spanien taucht er sichtlich beeindruckt tief in die Folklore ein.

Dann schlägt das Pendel Richtung konkret-konstruktivistischer Kunst aus. Pohls 1970er Jahre sind analytisch: Er absolviert ein Kunstgeschichtsstudium in Bonn, engagiert sich in der Bonner Künstlergruppe, ist Mitbegründer des Bundesverbandes Bildender Künstler Bonn, im Vorstand des Kunstvereins und Mitglied im Deutschen Werkbund. An wichtigen Projekten des Werkbundes ist er beteiligt, so an „Der zweite Blick“, eine immer noch lesenswerte Untersuchung über „Gliederungsprobleme in Architektur und Design“.

„Mein Mann lässt nicht locker“

Pohl gehört zum Kreis der Galerie Hajo Schütze, zum harten Kern der „gruppe konkret“ und Marianne Pitzens Galerie Circulus, deren Organ „Circular – Zeitschrift für Kunst und Gestaltung“ Pohl ein zeittypisch strenges Layout verpasste. Er veröffentlichte dort auch Texte zur Architektur und Kunst. In der Ausstellung der gkg kann man etliche Circular-Hefte durchblättern. In Nummer 27+28 (1980) liest man: „Zwischen Architektur und bildender Kunst findet im Allgemeinen kein Dialog statt, der über Leerformeln hinausgeht.“ Hier ist der klar formulierende, unmissverständliche Kritiker – „Mein Mann lässt nicht locker“, meint Luzia Mayer –, der uns auch in seinen Leserbriefen im General-Anzeiger begegnet.

Pointiert und kritisch begleitete er die Debatte und Entwicklung rund um das letztlich in den Sand gesetzte Festspielhaus. Er meldet sich gut informiert bei Städtebau- und Architekturthemen zu Wort, geißelt Markus Lüpertz' „Hommage an Beethoven („Lüpertz' dürfte einer der größten Blender der Kunstszene sein, da kommt selbst Jeff Koons nicht mit“), Bonner Bausünden und Verstöße gegen den Denkmalschutz.

Was er in seinem nächsten Jahrzehnt vorhabe? Pohl winkt ab. Nichts mehr. Und Lucia Mayer trägt unverdrossen Materialien herbei. Sie arbeitet an einem Werkverzeichnis. Das Vermächtnis von Pohl und Mayer.

Info: Gesellschaft für Kunst und Gestaltung, Hochstadenring 22; bis 15. September. Eröffnung: 31. Juli, 19 Uhr. Mi-Fr 15-18, Sa 14-17, So 11-17 Uhr

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