Arbeit der Peter-Mertes-Stipendiatinnen Bonner Kunstverein zeigt neue Ausstellung

Bonn · Der Bonner Kunstverein präsentiert in einer anspruchsvollen Ausstellung die Peter-Mertes-Stipendiatinnen Lotte Maiwald und Franca Scholz

 Trügerischer Ausblick: Stipendiatin Lotte Maiwald im Bonner Kunstverein.

Trügerischer Ausblick: Stipendiatin Lotte Maiwald im Bonner Kunstverein.

Foto: Meike Böschemeyer/MEIKE BOESCHEMEYER

„Feels like home“, es fühlt sich an wie zu Hause, steht an der Wand der Installation von Franca Scholz im Bonner Kunstverein. Aber heimelig ist es nicht, ganz im Gegenteil. So sauber und aufgeräumt alles auch anmutet – Kleidungsstücke und Stoffobjekte auf der Leine oder an der Wand –, die Grundstimmung ist Unbehagen, Irritation. Das trifft auf Scholz’ Text-Botschaften und Objekte ebenso zu wie auf Lotte Maiwalds naiv wirkende, sehr bunte Gemälde auf einfachem Nesselstoff, der einfach an die Wand getackert wurde. Was sich märchenhaft gibt, entpuppt sich als eine Welt, in der man nicht leben will, in der ein mittelalterlich gewandeter, uniformierter Avatar das Terrain wie ein Eroberer absteckt und mittels High-Tech-Überwachungssystemen absichert.

Souverän behaupten sich beide auf den ersten Blick so unterschiedliche, in der irritierenden, befremdlichen Grundstimmung indes so ähnlichen Künstlerinnen in der großen Halle. Was nicht einfach ist und was frühere Ausstellungen an diesem Ort gezeigt haben. Scholz und Maiwald aber haben den Raum im Griff. Und das, obwohl sie sehr jung sind und ziemlich am Anfang ihrer Karrieren stehen. Das sind Kriterien für das Peter-Mertes-Stipendium, das traditionell im Bonner Kunstverein vergeben wird. Sie wurden von einer Jury, bestehend aus Michelle Cotton, ehemalige Direktorin des Kunstvereins, Nikola Dietrich, Chefin des Kölnischen Kunstvereins, Anthony DiPaola vom Vorstand des Bonner Kunstvereins und Anne Pöhlmann, Mertes-Stipendiatin von 2013, gekürt.

Förderung junger Kunst

Seit 1985 fördert die Peter-Mertes-Weinkellerei auf diese Weise junge Künstler. Das Stipendium ist ein Gütesiegel. Promis der Kunstszene wie Monika Beer, Thea Djordjadze, Carsten Höller und Gregor Schneider waren in jungen Jahren Mertes-Stipendiaten.

Die beiden aktuellen Preisträgerinnen sind Jahrgang 1988. Lotte Maiwald aus Hechingen hat ihr Studium 2018 an der Düsseldorfer Kunstakademie in der Klasse von Peter Doig abgeschlossen, sieht sich weniger als Malerin, vielmehr als Performerin. Maiwald lebt in Düsseldorf. Ihre Mitstipendiatin Franca Scholz wurde in München geboren, hat bis 2016 ebenfalls an der Düsseldorfer Akademie studiert (Klasse Rita McBride) und lebt heute in Köln. Scholz arbeitet mit Buchstaben sowie Textfragmenten, die sie auf ihre Stoffobjekte appliziert oder an die Wand projiziert. Letzteres funktioniert wie ein Drehbuch zu einem imaginären Film. Einzelne Worte und Sätze öffnen Assoziationsräume, in denen es um eher diffuse Befindlich- und Begehrlichkeiten, aber auch konkret um den Wohnraum geht, um die Häuslichkeit. Wobei durchaus auch Klischees und Rollenstereotype zum Thema werden. „Der weibliche Blick ist mir wichtig, meine Kunst ist aber nicht feministisch“, sagt sie und hängt fragmentierte oder disfunktionale Kleidungsstücke auf die Leine, Omas Tischdecke, zur Schürze umgeschneidert, hängt an der Wand, wattierte Stoffe mit Gebrauchsspuren lassen erahnen, dass hier jedes Stück seine Geschichte und Individualität hat.

Unheimliche Fantasywelt

Bei Maiwald steht eine Überwachungssäule, wie man sie auf Baustellen findet, im Mittelpunkt einer Reise durch eine unheimliche Fantasywelt. Alles ist unter Kontrolle, jedermann ist unter Beobachtung. Big Brother ist watching you: Überlebensgroß hängt der bedrohliche Herr über diese unterjochte und überwachte Welt als düstere Vision an der Wand. Als kleiner Avatar dringt er in jedes einzelne Bild ein, markiert es durch die pure Anwesenheit und eine Fahne als sein Einflussbereich. „Ein Fähnchen, ein Mensch und eine solarbetriebene Überwachungssäule“ hat Maiwald lapidar ihre Bonner Arbeit genannt, die ein sehr brisantes, aktuelles Thema ventiliert. Zu den Überwachungsopfern zählen nicht nur die Betrachter der Bilder, auch eine „Schäfchenüberwachungssäule“ steht im Raum, die das Thema leicht ins Ironische zieht. „Aus welchem Leder sind seine Scheuklappen?“ und „In welcher Herde marschierst du?“ liest man am Rande. Ganz oben ein Schafskopf, der die Überwachung übernimmt.

Insgesamt ein starker Auftritt zweier Künstlerinnen, von denen man noch hören wird.

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