"Es zählt der Moment" Bonner Musiker Nils Wülker bei Jazztagen Leverkusen

Leverkusen · Jazzmusiker Nils Wülker vereint zwei Leidenschaften: Musik und Bergsteigen. Eine ungewöhnliche Kombination - zumindest auf den ersten Blick. Am 10. November spielt er in Leverkusen.

"Es zählt der Moment": Bonner Musiker Nils Wülker bei Jazztagen Leverkusen
Foto: Bertelsmann SE & Co. KGaA

Nun ist der gebürtige Bonner Nils Wülker nicht nur Deutschlands womöglich kreativster Jazztrompeter. Der 41-Jährige, der den Jazz wirklich von Grund auf und beginnend vor mehr als zwei Jahrzehnten im Jugend-Jazz-Orchester NRW gelernt hat, ist vermutlich auch zugleich Deutschlands einziger Jazztrompeter, der sich nebenher fast schon auf Profi-Level als Bergsteiger betätigt.

Welche seiner Leidenschaften Wülker wuschiger macht? Naja, das ist dann doch der Berg. "Wenn ich klettern gehe, ist die Anspannung von dem Moment an da, an dem morgens sehr früh der Wecker klingelt. Bei Konzerten setzt das Lampenfieber genau 15 Minuten vorher ein, und meist ist die Nervosität innerhalb von vier Takten verschwunden." Doch die zwei großen Leidenschaften im Leben des Nils Wülker haben auch eine klare Gemeinsamkeit. "In den Bergen wie auf der Bühne bin ich komplett fokussiert auf das, was ich tue. Gefühlsmäßig erlebe ich beides sehr intensiv, und was zählt, ist nur der Moment."

Woher diese für einen hauptberuflichen Musiker eher außergewöhnliche Kletterliebe rührt? Nils Wülkers Oma hat im Allgäu gelebt, er verbrachte die meisten Familienurlaube in den Bergen, als Jugendlicher wanderte und kraxelte er gern, später ging er nach Berlin, studierte an der Hochschule für Musik "Hanns Eisler", veröffentlichte erste Alben, spielte immer erfolgreicher Konzerte, "aber irgendwann habe ich gemerkt, dass mir das Auspowern beim Klettern als körperlicher Ausgleich fehlt." Spätestens, seit er vor drei Jahren aus Hamburg nach München zog ("Meine Frau bekam dort ein gutes Jobangebot und rannte bei mir offene Türen ein"), lasse sich ein Tag in den Alpen sehr viel leichter in den Alltag integrieren.

"Die eigene Generation für Jazz begeistern"

Dieser Alltag ist schließlich herausfordernd genug. Wülker schreibt seine Stücke alle selbst, und er beschränkt sich nicht auf die reine Lehre. "Mein Verständnis von Jazz war es immer schon, über den Tellerrand hinauszublicken und andere Genres in meine Musik einfließen zu lassen."

Dass Wülker, der es auch als seine Aufgabe sieht, "die eigene Generation abzuholen und für den Jazz zu begeistern", nach neun Studioplatten nun sein erstes Live-Album aufnimmt, kommt für ihn so in etwa der Mont-Blanc-Besteigung über eine ungewohnte Route gleich.

"Musik ist für mich etwas Flüchtiges und Leichtes. Sie festzuhalten für die Ewigkeit war für mich anfangs ein paradoxes Konzept." Er traute sich dennoch und nahm an drei Orten - Zeche Karl in Essen, Stadtgarten Köln und Jazzclub Nordhausen - mit toll eingespielter Band ein begeisterndes Album auf, das, so Wülker, den Reiz hat, "dass es die ganz großen Bögen in den Stücken, die dynamischen Entwicklungen von leise zu laut abbildet". Und so eine Energie entfaltet, die auf einem Studioalbum gar nicht vorstellbar sei.

Info: Nils Wülker, Leverkusen, 39. Jazztage, Scala Club, 10. November, 20 Uhr; www.bonnticket.de

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