"California Dream" Bundeskunsthalle zeigt Porträt von San Francisco

Bonn · Unter dem Titel „California Dreams“ zeigt die Bundeskunsthalle in Bonn ein vielschichtiges Porträt von San Francisco. Die Stadt ist immer noch ein Sehnsuchtsort.

Anfang September 2019 fassten die Mitglieder der Stadtverwaltung von San Francisco einstimmig den Beschluss, die Waffenorganisation National Rifle Association (NRA) zu einer inländischen Terrororganisation zu erklären. Ein bemerkenswertes Zeichen, das Lokalpolitiker gegen die Macht der Waffenlobby setzen wollen und das überdies einiges aussagt über eine Stadt, in der solche Beschlüsse gefasst werden. Wie auch immer die Auseinandersetzung mit der NRA in diesem Falle ausgehen mag, so ist sie mit Sicherheit ein guter gedanklicher Ausgangspunkt, um die neue Ausstellung in der Bundeskunsthalle zu besuchen.

Mit „California Dreams“ ist dem Museum mit den beiden Kuratorinnen Henriette Pleiger und Sylvia Kasprycki ein Städteporträt gelungen, in dem die unterschiedlichsten Objekte und Kunstwerke zusammengetragen wurden. Mit ihnen werden Geschichten aus 400 Jahren erzählt und eine Stadtgesellschaft skizziert, die jenseits ihrer Touristenattraktionen eine urbane Persönlichkeit entwickelt hat.

Sehnsuchtsort

San Francisco war und ist immer noch ein Sehnsuchtsort, von dem sich Menschen mit ihren Träumen nach einem besseren Leben angezogen fühlen und von dem zugleich weltweite Impulse ausgehen. Die Ausstellung beginnt mit dem unrühmlichen Kapitel der Kolonisierung ab der Mitte des 18. Jahrhunderts, die im Namen der Religion die in Kalifornien lebenden 70 indigenen Völker missionierte, unterdrückte und versklavte. Als Zeugnisse aus dieser Zeit werden fein geflochtene Körbe, Lederbekleidung, Halsketten und zeremonieller Kopfschmuck ausgestellt.

Hier sind auch Objekte von zeitgenössischen Künstlerinnen, die alte Handwerkstechniken bewahren, zu sehen. Ein lobenswertes Beispiel für den kuratorisch sensiblen Umgang mit Kulturgut aus kolonialem Kontext. Auch der sogenannte Goldrausch, der nach einem spektakulären Goldfund ab 1848 begann, wurde für die indigene Bevölkerung zur Katastrophe. Innerhalb von zwei Jahren war die Zahl der Einwohner des bis dato kleinen Ortes an der Bucht des Pazifiks von 1000 auf 25 000 gewachsen, und es folgten Zigtausende mehr. Die Mehrzahl waren weiße Einwanderer aus Europa und Neuengland – um 1900 waren 25 Prozent der Bevölkerung deutschsprachig.

Einer von ihnen war der gebürtige Bayer Levi Strauss, der 1853 über New York nach Kalifornien kam und einen Großhandel mit Stoffen und Kurzwaren gründete. Berühmt geblieben ist der Name durch die von ihm erfundene Nietenjeans 501. Über die geflickten Jeans des Minenarbeiters Homer Campbell darf man heute schmunzeln. Er hatte sie drei Jahre nach dem Kauf reklamiert und an Strauss zurückgeschickt, worauf er ein kostenloses neues Paar erhielt.

Ort der Innovation

San Francisco als Ort der Innovation – diesen Anspruch hat die Stadt bis heute tief in ihrem Image verankert. Dazu gehören natürlich auch die künstlerisch und sozial geprägten Gegenkulturen. Die Bürgerrechtsbewegung, die gegen die Rassentrennung kämpfte, die Studentenproteste gegen den Vietnamkrieg und die Hippiebewegung, die 1967 im legendären Summer of Love in San Francisco ihren Anfang nahm. Auch die Beat-Generation um Allen Ginsberg und Jack Kerouac hatte hier ihr Zentrum.

Die öffentliche Politisierung der Homosexuellen in San Francisco begann in den 1950er Jahren, und 20 Jahre später war die Stadt das Epizentrum der LGBT-Bewegung. Ein schönes Ausstellungsstück in diesem Zusammenhang ist die originale Regenbogenfahne, die Gilbert Baker 1978 erfunden und selbst genäht hat.

Heute hat die Bay Area annähernd acht Millionen Einwohner und ist immer noch ein Sehnsuchtsort. Das liegt nicht zuletzt am Silicon Valley, einem der weltweit wichtigsten Zentren der Informationstechnologie und Hightechindustrie. Eine 501-Jeans und ein weißes Versace-Hemd aus dem Besitz von Steve Jobs, der Apple II plus Rechner von 1977 und ein Taschenrechner von Hewlett Packard stehen hier für großartige und zuweilen glorifizierte Erfolgsgeschichten. Bilder von Umweltverschmutzung und Obdachlosigkeit dagegen zeigen eine Seite, in der Traum und Albtraum dicht beieinander liegen.

Bis 12. Januar 2020; Di und Mi 10-21, Do-So 10-19, feiertags 10-19 Uhr; Katalog: 22 Euro.Mehr Infos auf der Website.

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