Neuer Gedichtband Corona und Poesie: Bernd Neubauers „Saudade“

Bonn · Bernd Neubauers Gedichtband „Saudade“ erzählt auf poetische Weise von der Corona-Pandemie. Der Autor zeichnet Seelenlandschaften in Zeiten der Krise.

 Lyrischer Begleiter der Pandemie: Bernd Neubauer.

Lyrischer Begleiter der Pandemie: Bernd Neubauer.

Foto: Andrea Neubauer

Diese Zäsur konnte nicht ohne Folgen bleiben. Im Spätherbst 2020 brachte der Göttinger Autor Bernd Neubauer sein Langgedicht aus der Corona-Pandemie, „Zäsur“, heraus. Auf 69 Seiten verschmolzen auf poetische Weise die Karriere des Coronavirus mit persönlichen Erfahrungen, Stimmungen und Reflexionen. „Zäsur“ sprach viele Sprachen, nährte sich von Alltagsbildern, Traum, Erinnerung, Geschichtsbetrachtung und politischer Analyse sowie von Familienszenen, Krankheitserfahrungen und Daseinsbilanz. Der Dichter brachte, wie er sagte, seine kleine Geschichte in die große Erzählung ein.

Jetzt hat Neubauer nachgelegt: „Saudade“ heißt ein zweiteiliger Gedichtzyklus, eingerahmt von Prolog und Epilog, aus der Zeit der Corona-Pandemie; es geht um die Monate Dezember 2020 bis Mai 2021. „Von der Anwesenheit der Abwesenheit“, der erste Teil des Zyklus, führt Motive und Bilder ein, von Steinen und vom Meer ist die Rede, von der Flut, auch von Tod und Trauer. Privaten Erfahrungen und Empfindungen verleiht der Autor exemplarische Dimensionen. Der Verlust des Vaters, mag er auch lange zurückliegen, beschäftigt das lyrische Ich, eine Szene aus der Vergangenheit wird wieder lebendig: „die Rollen längst getauscht / holt mich diese Stunde heute / in manch Nächten wieder ein / da Heerscharen heimatloser Schemen / rastlos zwischen den Welten wandern / was wenn mein Vater wäre unter ihnen.“ Hier spricht einer, der den Gefühlen, die in ihm wohnen – zum Beispiel die Trauer –, nicht davonlaufen kann: „Und wählte ich auch / Den Weg des Eremiten / so gäbe es doch kein Entrinnen / vor dem was ich in mir trag.“

Die Welt da draußen

Der zweite Teil, „Der lange Tag“, weitet den Blick, erkundet tastend die Welt da draußen und wendet sich den menschlichen Opfern zu: „ich zähle die Einschläge / und messe ihre Distanz / ich weiß um die Opfer / die zahllos Ungekannten.“

„Wie weitermachen / ohne ein Weiter“, fragt Neubauer im Epilog. Es ist mitnichten die pessimistische Pointe dieses einfühlsamen, mit leisem Pathos und viel Empathie komponierten Buches. Der Autor zeichnet Seelenlandschaften in Zeiten der Krise, und zwar in einem Ton, der alle Bedeutungsnuancen des Wortes „Saudade“ abbildet. Die Gedichte transportieren Sehnsucht und Wehmut, die Einsicht, etwas unwiederbringlich verloren zu haben – aber auch das Wissen um die Kostbarkeit verflossener Momente und die Per­spektive einer lebens-, sogar liebenswerten Zukunft.

Auf „Saudade“ soll ein dritter und abschließender Band folgen. Er wird „dem vorbehalten sein, was sich zeigt, wenn die Haut sich neu gebildet hat“, kündigt Neubauer an.

Bernd Neubauer: Saudade. 63 S., zehn Euro zzgl. Versandkosten. Bestellungen: bneubauer.de oder im Buchhandel. ISBN 978-3-9823550-0-9.

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