Das Jazzfest Bonn im Beethoven-Haus Zwei Duos begeistern das Publikum

Bonn · Die Kunst des Duos: Aki Takase & Daniel Erdmann und Heidi Bayer & Sebastian Scobel spielten beim Jazzfest Bonn im Beethoven-Haus. Der GA schaut auf den Abend zurück und stellt die beiden Duos genauer vor.

 Kongeniales Zusammenspiel: Die Pianistin Aki Takase und der Saxofonist Daniel Erdmann im Kammermusiksaal.

Kongeniales Zusammenspiel: Die Pianistin Aki Takase und der Saxofonist Daniel Erdmann im Kammermusiksaal.

Foto: Jazzfest/www.heikefischer-fotografie.de

Sie ist großartig, eine Legende in der Jazz-Szene. Er noch zu jung dafür, aber einer der ganz Großen seiner Generation. Und zusammen sind sie ein unglaublich kreatives, fantasievolles Duo: Aki Takase (74) und Daniel Erdmann (48) verzauberten das Publikum im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses beim zweiten Konzert des Jazzfests Bonn mit einer atemlosen, impulsiven Performance, die in punkto Tempo, harter Attacke, fulminanter Soli, aber auch Emotion und Schwelgerei keine Wünsche offenließ. Da war alles drin.

Wer ist das „Voodoo Girl“?

Ob der begnadete Saxofonist Erdmann seine kongeniale Klavierpartnerin Takase im Sinn hatte, als er das wilde Stück „Voodoo Girl“ vom aktuellen Album „Isn‘t It Romantic?“ schrieb, weiß man nicht. Man kann es aber vermuten: Denn es ist pure Hexerei, was die energische, kleine Japanerin am Steinway-Flügel zelebriert, mal mit brachialem, rustikalem Spiel – das ist kein Anschlag, das ist ein wütendes Hämmern –, mal mit einer spielerischen Zartheit und Emphase auf Melodiekurs. Und immer unter Hochspannung und total konzentriert.

Was auch für Erdmann gilt. Denn, so sehr beide Künstler das Improvisieren, das freie Spiel lieben, sie tun es auf Tuchfühlung mit dem anderen: Melodie, Rhythmik, Dramaturgie werden gemeinsam entwickelt, wenn auch von verschiedenen Punkten aus. In „Voodoo Girl“, dem Einstieg in dieses fantastische Konzert, war es Erdmann, der mit seinem weichen, geschmeidig-schnellen Spiel das Ohrwurm-Thema setzte, und Takase hatte zunächst den Part, das Thema musikalisch zu hinterfragen und teilweise zu dekonstruieren. Im folgenden Stück „Elevation“, auch das, wie fast alle Nummern des Abends, ein Stück von der aktuellen CD, kehrten sich die Rollen partiell um.

Explosive Mischung

Erdmann, der erst kürzlich mit seinem Projekt „The Velvet Revolution“ im Kammermusiksaal zu Gast war, präsentierte sich erneut mit seiner eigenen Mischung aus impulsiven, schnellen Einwürfen, ausgedehnten Melodiebögen und Spielwitz – in Takase hat er dabei die richtige Partnerin.

„Charakteristisch ist die Fülle und robuste Wärme seines Sounds, herausragend die Dringlichkeit seines Spiels“, befand die Jury des SWR-Jazzpreises 2020 und lobte Erdmanns stilistische Offenheit und Improvisationsfreude. Dem ist nicht hinzuzufügen.

Takase und Erdmann servierten zwischen Tastendonner und wütenden Saxofonläufen einen Leckerbissen nach dem anderen. Die Spannung ließ nicht nach, und man erfuhr sogar Interna, etwa die ernüchternden Fahrschulerlebnisse Erdmanns: „An jeder Kreuzung liegt eine Erinnerung begraben“, heißt das dazugehörige Stück, mit seinen Stops and Goes eines der aufregendsten des Abends. Das Publikum war nicht zu bremsen, erklatschte sich zwei Zugaben, darunter das Titelstück der CD, „Isn‘t It Romantic?“.

Heidi Bayer und Sebastian Scobel

Eine Frage, die auch zum Eröffnungskonzert des Abends gepasst hätte, in dem ein wunderbar aufeinander eingespieltes Duo das Publikum mit ruhigen, sehr melodiösen Stücken einstimmte. Die Trompeterin Heidi Bayer und der Pianist Sebastian Scobel, beide Jahrgang 1987 und seit 2018 mit ihrem Duo unterwegs, harmonieren perfekt, wie sich etwa in „Stille Wasser“ (Bayer) zeigte. Der weiche Sound des Flügelhorns geht hier eine innige Beziehung mit Scobels Pianoläufen ein.

Beide Musiker improvisieren gerne, zum Beispiel in Scobels Stück „Thin Curtain“, zu dem er sagt: „Es entsteht immer etwas Neues, diese Dynamik spornt uns an.“ Es liege alles auf dem Tisch, „Sie sehen uns beim Schaffen zu.“ Diese Transparenz und Offenheit fasziniert. Und die besagte Dynamik führt zu Interpretationen wie Scobels „No Sinfony“, einem Stück, in dem beide Musiker freier agieren und das eine oder andere Experiment wagen. Zumindest Bayer lässt durchblicken, wer ihr Vorbild ist: Ihr tolles Stück „For Kenny“ ist dem kanadischen Jazztrompeter Kenny Wheeler gewidmet. Die Zugabe hieß „Larry“ (Scobel). Welcher Larry? Vermutlich Larry Goldings, einer von Scobels Lehrern.

Aktuelle CD: Aki Takase & Daniel Erdmann Duo, „Isn‘t It Romantic?“ (BMC).

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