Rheinlandtaler Das offene Territorium der Kunst

Bonn · Die langjährige Chefin des Bonner Kunstvereins, Annelie Pohlen, ist mit dem Rheinlandtaler des Landschaftsverbandes Rheinland ausgezeichnet worden.

 Kunstbewegerinnen: Ex-Direktorin des Bonner Kunstvereins, Annelie Pohlen (links), im Jahr 2013 mit ihrer Vorgängerin Margarete Jochimsen (rechts) und ihrer Nachfolgerin Christina Vègh.

Kunstbewegerinnen: Ex-Direktorin des Bonner Kunstvereins, Annelie Pohlen (links), im Jahr 2013 mit ihrer Vorgängerin Margarete Jochimsen (rechts) und ihrer Nachfolgerin Christina Vègh.

Foto: Schoenebeck

Irgendwann wollte ich keine Künstler mehr in Spalten sehen, so wie ich heute keine Künstler mehr als Transportproblem haben will.“ Ein pointierter Satz, wie er eigentlich nur von Annelie Pohlen stammen kann. Sie hat als Kunstkritikerin – lange Jahre für internationale Magazine und für den General-Anzeiger – Beachtliches geleistet, hat von 1986 bis 2004 als Direktorin des Bonner Kunstvereins (seit 1980 war sie Kuratorin) eine ganze Reihe hervorragender Ausstellungen realisiert. Jetzt ist der 1944 in Bernkastel-Cues an der Mosel geborenen promovierten Kunsthistorikerin im Mönchengladbacher Abteibergmuseum der Rheinlandtaler des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) verliehen worden. Mit ihr wurde Pohlens Kritikerkollegin Renate Puvogel aus Aachen ausgezeichnet.

Eine weitere Bonnerin bekommt in diesem Jahr den Rheinlandtaler: Sabine Harling vom Vorstand der Bonner Geschichtswerkstatt. Sie bekommt die Auszeichnung im September.

Bei ihrem Abschied von der Leitung des Bonner Kunstvereins sagte Pohlen, sie sei im Umfeld von Polke und Beuys, Palermo und Ruthenbeck großgeworden, habe viel Kunst kommen und gehen sehen. Sie erlebte in den 70er Jahren, wie sich „der Overkill der konzeptuellen Ansätze totlief“, wie sich in den 80er Jahren eine unkritische Szene besinnungslos auf den Zug der „Wilden Malerei“ stürzte und gleichzeitig eine zunächst kaum wahrgenommene Gegenbewegung den Rutsch ins Pathetische und Museale verweigerte.

Und sie erlebte in den frühen 90er Jahren, wie eine junge Generation von Künstlern „mit einer gewissen Faszination, aber auch kritischen Distanz“ einen Blick auf die 68er-Jahre warf. Der Umzug des Kunstvereins in die umgebaute Blumenhalle am Hochstadenring im Jahre 1987 markierte den Anfangspunkt ihrer Ära. Die Ausstellungsliste ist lang. Eine Auswahl: Ausstellungen von Gustav Kluge und Annette Messager, Kiki Smith, Katharina Sieverding und Marlene Dumas, Alighiero e Boetti und Thomas Ruff, Heimo Zobernig, Lois Weinberger und Hannah Villiger, um nur einige wenige zu nennen. Mehr als 200 Ausstellungen, waren in Pohlens Direktorinnenzeit zu sehen. Kritisch war sie immer: „Eine Ausstellung wie Neue Malerei heute oder über die Becher-Schule hätte ich zum Beispiel nie gemacht, die Positionen sind zu unterschiedlich.“ Stark waren auch die Themenausstellungen der Ära Pohlen; „Brennpunkt Wien“, „Über-Leben“, „Die Berechenbarkeit der Welt“, „Es grünt so grün...“ , „Un-built cities“.

Laudatio von Jürgen Wilhelm

Jürgen Wilhelm, stellvertretender Vorsitzender der Landschaftsversammlung Rheinland, erinnerte in seiner Laudatio in Mönchengladbach an Pohlens akademische Anfänge, an die Studien der Geschichte, Romanistik und Kunstgeschichte in Bonn und Paris. Der Doktorvater Professor Eugen Ewig, ein renommierter Historiker an der Universität Bonn, galt als bester Kenner der Merowingerzeit, war, so Wilhelm, „eine persönlich bedeutende Begegnung gleichsam als Gegenfigur für Annelie Pohlen“. Sie promovierte über „Die südeuropäisch-spanisch-gotische Gruppe in den geistigen Auseinandersetzungen der Karolingerzeit“. Sie sei „bereits früh um geistige Unabhängigkeit bemüht gewesen und blieb deswegen zeitlebens skeptisch im Hinblick auf Vor- oder Leitbilder, die sich in bestimmten Personen festmachen.“

Wilhelm weiter: „Ihre Grenzsetzungen im Dschungel der Kunstszene hat sie stets eigenhändig zu bahnen gewusst, ohne dabei die Machete gegenüber der Gartenschere zu voreilig eingesetzt zu haben.“ Pohlen gehöre zwar der 68er-Generation an, „blieb aber völlig undogmatisch“, sagte Wilhelm und zitierte Pohlen: „Jede sich als Wahrheit ausgebende These ist mir suspekt, weshalb mir das offene Territorium der Kunst gerade recht ist.“

Ausführlich beschrieb Wilhelm den Werdegang der Geehrten, von der freien Kritikerin zur ehrenamtlichen Kuratorin am Bonner Kunstverein und als dessen Direktorin. In die frühen 1980er Jahre fiel Pohlens wichtige Begegnung mit Joseph Beuys, zu dem sie ein ausgesprochen gutes Verhältnis hatte und „vor allem seine Offenheit, seinen Witz, seine Diskussionsbereitschaft und die Zusammenarbeit mit ihm anlässlich der Ausstellung 'Zeichen und Mythen“ (1980/81)' schätzte“, erinnerte Wilhelm.

„Ihr Programm, ihr tiefgreifendes Engagement und ihre nie nachlassende Vermittlungsarbeit gab der Bonner Institution ein weit über die Region ausstrahlendes Ansehen bis hinein in das Spitzenfeld deutscher Kunstvereine“, lobte Wilhelm in seiner Laudatio, „dabei soll nicht unterschlagen werden, dass die größten Probleme in der durchaus engen bis mangelhaften finanziellen Ausstattung von Ausstellungen und Katalogen lagen. Probleme, denen sich Frau Pohlen immer wieder neu stellen und die sie immer wieder neu meistern musste.“

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