Kunst in Bonn Das Werk eines modernen Hephaistos

Bonn · Der nordirische Bildhauer Tim Shaw hat als Kunststipendiat des Käte-Hamburger-Kollegs "Recht als Kultur" in Bonn einen sprechenden Roboter gestaltet. Er heißt "Breakdown Clown" und stellt die Frage nach dem Verhältnis von Kunst und Künstlichkeit.

 Ein massiger Kerl, kahl und nackt, die metallischen Knochen nur unvollständig bedeckt. Hydraulik, Kabel, Kolben, Gelenke. Doch "Breakdown Clown" schaut den Betrachter (auch seinen Schöpfer Tim Shaw) aus tiefsitzenden Augen an und sagt mit tiefer, sonorer Stimme Dinge wie "Wenn die Lebenskraft die Form verlässt und das Wasser verdampft, sind wir Staub. Du und ich."

Ein massiger Kerl, kahl und nackt, die metallischen Knochen nur unvollständig bedeckt. Hydraulik, Kabel, Kolben, Gelenke. Doch "Breakdown Clown" schaut den Betrachter (auch seinen Schöpfer Tim Shaw) aus tiefsitzenden Augen an und sagt mit tiefer, sonorer Stimme Dinge wie "Wenn die Lebenskraft die Form verlässt und das Wasser verdampft, sind wir Staub. Du und ich."

Foto: Thomas Kölsch

Groß ist er, gut zwei Meter. Ein massiger Körper, kahl und nackt. Die metallischen Knochen sind nur unvollständig bedeckt, die Hydraulik sichtbar, die Kabel, die Kolben, die Gelenke. Und dann sind da diese tiefsitzenden Augen, die ein Gefühl von Traurigkeit und Weisheit zugleich vermitteln, und die tiefe, sonore Stimme.

Humanoide Roboter wie der "Breakdown Clown", den der Künstler Tim Shaw während seines Aufenthalts am Bonner Käte-Hamburger-Kolleg "Recht als Kultur" geschaffen hat, üben zweifelsfrei eine ganz besondere Faszination aus. Der Mensch als Schöpfer des (künstlichen) Menschen, als moderne Kombination von Pygmalion und Hephaistos. Homo plasticator.

"Über diese mythologischen Bezüge habe ich noch gar nicht nachgedacht", gesteht Shaw in dem Atelier am Rheinbogen, wo er das vergangene Jahr über als Georg-Simmel-Künstlerstipendiat gearbeitet hat. Zumindest nicht im Detail.

Doch die Nähe zum griechischen Gott der Schmiedekunst, der unter anderem den mechanischen Riesen Talos geschaffen haben soll, ist ebenso deutlich erkennbar wie die zu dem legendären Bildhauer, der eine seiner Statuen durch Liebe zum Leben erweckte. Das Artifizielle trifft auf den Inbegriff der Kunst, Mechanik auf Ästhetik - und der Mensch auf sein Spiegelbild.

"Wir bestehen nur aus Leitungen und weichem Fleisch über einer harten Form", sagt der Roboter, der sich eindeutig zu seiner Künstlichkeit bekennt. "Impulse laufen auf diesen sehnigen Bestandteilen. Und wenn die Lebenskraft die Form verlässt und das Wasser verdampft, sind wir Staub. Du und ich."

So scheint er mehr zu sein als nur eine "sich bewegende Skulptur": Die Bewegungen, die Worte und eben die Augen schaffen eine Illusion von Bewusstsein, die fasziniert und doch nur der Anfang eines Prozesses ist. Shaw plant, Breakdown Clown eine künstliche Intelligenz (KI) zu geben, dank derer er mit dem Betrachter interagieren kann. Im Laufe der nächsten Monate könnte es soweit sein.

Die Entwicklung, die Breakdown Clown genommen hat, überrascht mitunter sogar den Künstler selbst. Als der 51-jährige gebürtige Ire begann, das Konzept für das Projekt zu erarbeiten, hatte er an eine derart komplexe Arbeit noch nicht einmal zu denken gewagt. "Ich hatte noch nie zuvor irgendetwas in dieser Art gemacht, daher bin ich dem Käte-Hamburger-Zentrum und vor allem dessen Leiter Professor Werner Gephart sehr dankbar, dass ich mein Projekt hier realisieren durfte", sagt er.

"Ursprünglich wollte ich lediglich Stimmen aus einer Skulptur kommen lassen. Dann kam die Idee mit dem Roboter, der sich bewegen kann." Und schließlich die KI.

Natürlich wird Breakdown Clown auch mit dieser noch programmiert sein (ein Aspekt, den der Roboter selbst thematisiert), natürlich wird man sich weiterhin der Künstlichkeit des Sprechers jederzeit bewusst sein - doch zugleich wird die Illusion des Lebens und des Selbstbewusstseins auf diese Weise noch verstärkt.

Bereits jetzt berühren sie, die Worte, dieses Nachdenkliche, das in sich Versunkene, diese Passagen über den Rhein, den Menschen, die Götter und die Gesetze der Welt. Sie regen an - und aus dem Künstlichen wird Kunst. „Kunst muss etwas aussagen wollen, muss in irgendeiner Art und Weise das Sein reflektieren“, behauptet Shaw, der sein Werk als eine Art Hofnarren sieht, der alles sagen darf und auch philosophische Gedankengänge auf ihre wesentlichen Elemente herunterbricht.

Immerhin will Breakdown Clown mehr sein als nur Ausdruck menschlicher Schaffenskraft. Die Texte, die Shaw ihm eingegeben hat, reflektieren das Verhältnis von Existenz und Gesetz, von Gesellschaft und den sie bestimmenden Regeln. Schon der Ort der Schöpfung des Breakdown Clowns, das Käte Hamburger Kolleg, fordert diese Thematik ein, doch auch die Natur des Roboters, dieses Denkers, dieses Schamanen, dieses kontemplativen Vetters von Frankensteins Geschöpf macht sie unabdingbar.

„Das Gesetz ist die Kunst der linguistischen Präzision, das Vertrauen in die Kraft von Verstand und Worten“, sagt er. Ein essentielles gedankliches Konstrukt des Zusammenlebens. In Form der Naturgesetze ist es das die Realität Bindende, als Ius Civitatis das die Menschheit Zusammenhaltende. Und die Kunst? Ist das befreiende Element.

„Der Künstler ist derjenige, der die Realität fiktionalisiert“, lässt Shaw sein Geschöpf sagen. Derjenige also, der sie in Rituale gießt, in Sagen und Mythen. Derjenige, der Grenzen und die Gesetze in Frage stellt, sich vom Tabu ebenso wenig abhalten lässt wie vom Unmöglichen. Der die Künstlichkeit zu transzendieren versucht, um tiefere Bedeutung zu finden. Das ist etwas, das Breakdown Clown, der von allen Gesetzen befreite Hofnarr, selbst mit einer Künstlichen Intelligenz sicherlich nicht von sich aus zustande bringen wird.

Den Anstoß für entsprechende Fragen aber kann er geben. Bleibt zu hoffen, dass er dies auch in Bonn noch einmal tun kann. „Es gibt tatsächlich Gespräche mit Museen in der Stadt, aber mehr kann ich dazu noch nicht sagen“, erklärt Shaw, der inzwischen wieder in seiner Heimat weilt – und seine Kreation mitgenommen hat. Doch vielleicht wird Breakdown Clown bald wieder in der Bundesstadt weilen und nahe seines Geburtsorts über das Leben, das Universum und den ganzen Rest philosophieren.

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