Neues Tanztheater Denken mit dem Körper

Bonn · Das Bonner Ensemble Cocoondance begeistert mit Rafaela Giovanolas Choreografie "No Body But Me" im Endenicher Theater im Ballsaal.

 Körper in Bewegung: Szene aus "No Body But Me".

Körper in Bewegung: Szene aus "No Body But Me".

Foto: Klaus Fröhlich

"Nobody but me" bedeutet soviel wie "niemand außer mir". Doch wenn das Bonner Ensemble Cocoondance sein neues Stück "No Body But Me" nennt, muss man schon ein bisschen auf die Feinheiten des Getrennt- und Zusammenschreibens achten. So wie sie im Titel mit der Vieldeutigkeit der Sprache spielen, geht es im Stück selbst um die Vielschichtigkeit der Wahrnehmung, bei der das Publikum immer auch Teil des Experiments ist. In "No Body But Me" stülpen sich die Besucher im Theater im Ballsaal erst einmal einen Funkkopfhörer über die Ohren. Damit wird die Welt akustisch ausgeblendet, niemand ist mehr da außer mir, sozusagen. Bis auf den Körper eines Mannes, der schemenhaft im Dunkel der Bühne sichtbar wird. Er ist nackt, und er atmet dank der Kopfhörer ganz dicht an unserem Ohr. Es ist eine seltsame, befremdliche Intimität, die da entsteht.

Der Körper des Tänzers beginnt sich zu regen, er atmet weiter, nach einiger Zeit beginnt der Tänzer, sich langsam anzuziehen. Gleichzeitig betritt eine Frau in Jeans die Bühne, sie legt sich hin und scheint keine Notiz von dem Mann zu nehmen. Niemand da - außer ihr. Musik (Jörg Ritzenhoff) setzt ein, Windgeräusche verdrängen den Atem in den Kopfhörern. Eine zweite Frau betritt die komplett leere Bühne, eine dritte, bis schließlich vier Tänzerinnen und drei Tänzer die weitläufige Tiefe der Spielfläche füllen. Sie bewegen sich langsam, und sie bewegen sich oft am Boden, beginnen zu zucken, irgendwann werden die Kopfhörer erfüllt vom rhythmischen Stöhnen einer der Tänzerinnen.

Choreografin Rafaela Giovanola und Dramaturg Rainald Endraß untersuchen in ihrem Stück auch die Beziehung zwischen medialer Körperwahrnehmung, die eben meist auch mit Sexualität zu tun hat, in Spielarten von einfachen Werbebildern bis zur Pornografie. Wobei das eigentlich Spannende natürlich immer der Blick des Betrachters ist, der hier mit dem simplen Kopfhörer-Kunstgriff zum einsamen Subjekt wird. Genau wie die Tänzer, die sich nicht berühren, aber gleichwohl heftige Kopulationsbewegungen absolvieren. Der Körper wird ohne Bezug zu einem Gegenüber wie in den 3D-Welten der Unterhaltungselektronik selbst zwangsläufig zu einer Art virtuellem Gegenstand. Nur einmal findet ein Paar zueinander, das sich wie in Zeitlupe umschlingt. Ein Moment des Glücks angesichts so viel Einsamkeit ringsum.

Irgendwann bleiben die Muscheln der Kopfhörer stumm, die Musik dringt nur noch aus den Lautsprecherboxen. Die Bewegungen werden aggressiver, "love you, too" lässt sich aus den Boxen vernehmen. Es hat nichts zu bedeuten.

"No Body But Me" setzt die Wahrnehmungsexperimente, mit denen Cocoondance schon in Stücken wie "What About Orfeo" oder "Momentum" spielten, auf sehr intelligente Weise fort. Was auf der Bühne des Ballsaales geschieht, ist sozusagen Nachdenken mit dem Körper. Und dafür hat Choreografin Giovanola mit Fa-Hsuan, Martina De Dominics, Álvaro Esteban, Werner Nigg, Inma Rubio, Susanne Schneider und Brice Taupin ein exzellentes Ensemble zur Verfügung ein exzellentes Ensemble zur Verfügung.

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