Nachruf zu Jean-Claude Riber Der Begründer der „Scala am Rhein“

Bonn · Sein Name steht für Hauptstadtkultur: Der frühere Bonner Opernintendant Jean-Claude Riber ist im Alter von 82 Jahren gestorben.

 Der Intendant als Regisseur: Jean-Claude Riber in der Bonner Oper.

Der Intendant als Regisseur: Jean-Claude Riber in der Bonner Oper.

Foto: ga

Das ambitionierteste Projekt seines Lebens war die Etablierung einer „Scala am Rhein“. Als Jean-Claude Riber 1981 von der Stadt Bonn ins Amt des Opernintendanten berufen wurde, lautete sein Auftrag, repräsentative Hauptstadtkultur nach Bonn zu holen – und der Elsässer lieferte. Wie am Dienstag aus seinem privaten Umfeld bekannt wurde, ist Riber am 26. Januar 82-jährig in seinem Haus in den Vogesen gestorben.

Riber, der zuvor Intendant in Nancy und Genf war, steht bis heute für die „goldene Zeit“ des Musiktheaters in Bonn. Bis 1992 konnte er in dieser Stadt mit Hilfe üppiger Bundeszuschüsse Hauptstadt-Theater verwirklichen und Weltstars in Serie verpflichten, von Katia Ricciarelli bis Renato Bruson und Gösta Winbergh, René Kollo und Peter Hofmann. Noch heute schwärmen die Opernfans von Bellinis „Norma“, die 1983 in Bonn Premiere feierte, mit einer unvergleichlichen Mara Zampieri in der Titelrolle.

Auch namhafte Regisseure holte Riber nach Bonn, darunter Willy Decker, Ken Russell oder Giancarlo del Monaco, der ihn später als Intendant beerben sollte. Auch selbst führte Riber gern Regie. Sein Genfer „Ring“ aus den 1970er Jahren war von der Kritik in höchsten Tönen gelobt worden. In Bonn brachte er 1990 Giuseppe Verdis „Macbeth“ auf die Bühne, ein Jahr später den „Rigoletto“. Von Richard Strauss inszenierte er „Die Frau ohne Schatten“, Mozarts „Zauberflöte“ folgte zu Beginn seiner letzten Bonner Saison im Oktober 1991.

Der Erfolg gab Ribers Politik recht: Die Platzausnutzung lag Jahr für Jahr bei 99 Prozent. Die Opernfans campierten regelrecht vor der Theaterkasse, um an die raren Karten, die in den freien Verkauf gingen, zu kommen. Doch in der Führungsetage des Hauses begann es bald zwischen Riber und Generalmusikdirektor Gustav Kuhn zu brodeln. Als der Elsässer die musikalische Leitung einer Neuinszenierung von Richard Wagners „Fliegendem Holländer“ in andere Hände geben wollte, reagierte Kuhn temperamentvoll: Vor dem versammelten Bonner Kulturausschuss versetzte er am Nachmittag des 23. April 1985 dem Generalintendanten eine schallende Ohrfeige. Schlimmer für Riber als die Ohrfeige war jedoch ein Interview, das der Dirigent wenig später dem „Spiegel“ gab, und der es (fast) pünktlich zum 20. Geburtstag des Hauses am 6. Mai 1985 mit der Schlagzeile „Viele Opernhäuser machen bloß Stimm-Porno“ an die Kioske brachte.

Eine Kritik, die von den meisten Bonner Opernfans zwar nicht geteilt wurde, der 1986 gegründete Verein der Opernfreunde schlug sich geschlossen auf Ribers Seite. Doch in der überregionalen Presse war die Riber-Kritik Konsens. Der Intendant musste sein Ideal von der Sänger-Oper, das sich am besten mit dem Kernrepertoire des Opernbetriebs von Mozart bis Puccini pflegen ließ, mit Nachdruck gegen seine Kritiker verteidigen. Denn er wollte „nicht gegen ein Publikum und nur für ein paar Links-Feuilletonisten in Liegestühlen spielen“, sagte er einmal.

Dabei ist es keineswegs so, dass Riber Neuem gegenüber nicht aufgeschlossen gewesen wäre. Mit dem Komponisten Udo Zimmermann („Die weiße Rose“) hatte er von 1985 bis 1990 einen Mann nach Bonn geholt, der das Haus auch zu einem wichtigen Schauplatz für zeitgenössisches Musiktheater machte. Die Bonner Kulturpolitik überzeugte er nicht. Der Generalintendant verabschiedete sich 1992 mit einer eigenen Inszenierung von Wagners „Walküre“ aus dem „Ring des Nibelungen“. Sein Traum von einem kompletten „Ring“ ging nicht mehr in Erfüllung. Zum Abschied menetekelte Riber in einem Interview mit der „Bonner Illustrierten“ bitter: „Bonn wird nie eine Kulturstadt.“

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