Kulturtipp: Cristina Branco Der Blues der Portugiesen

Bonn · Kulturtipps für zu Hause aus der Feuilleton-Redaktion: Cristina Branco gilt heute als Repräsentantin des Fado. Mit der CD „Eva“ will sie das Image abschütteln.

 Cristina Branco

Cristina Branco

Foto: o-tone

Den „Blues der Portugiesen“, den wehmütigen, herzzerreißenden Fado, hat Cristina Branco wie kaum eine andere Sängerin drauf. Mit Streichern im Hintergrund und der klassischen Gitarre an der Seite begab sie sich in den beiden vergangenen Jahrzehnten tief hinab in den Schmerz, den des Herzens und der Seele. Trauer und Melancholie, das schien zu dieser Stimme ideal zu passen. Gleichwohl verließ sie den Mainstream und ihr damaliges Label und verabschiedete sich von „Fadoromantik, Konzertroben und Diven-Image“ sowie „den musikalischen Erwartungen mitteleuropäischer Portugalliebhaber“, überzogen von Photoshop, wie das neue Label o-tone music grimmig schreibt.  Netter klingt das in einem Interview mit dem Deutschlandfunk Kultur: „Ich wollte keinen Fado machen.“

Konzert mit der HR-Bigband

Dogmatisch sieht sie das allerdings nicht: „Fado & More“ hieß ein wunderbares Konzert, das sie 2019 mit der Bigband des Hessischen Rundfunks gab. Der portugiesische Nationalgesang war ebenso dabei wie Chansons, Pop-Balladen und portugiesische Volkslieder, grundiert vom swingenden Groove der Jazz-Bigband. Brancos starke Stimme erwies sich dabei als unglaublich vielseitig und stilistisch anpassungsfähig. Branco hat offenbar nicht nur den Fado, auch den Jazz im Blut (das Konzert ist in der ARD-Mediathek abrufbar).

Vor einigen Jahren startete die heute 48-Jährige ein Projekt, das weg von den Fado-Pfaden führen sollte. Die Trilogie, die mit „Menina“ begann und mit „Branco“ fortgesetzt wurde, findet jetzt mit „Eva“ (o-tone-music) ihren geplanten Abschluss. Branco hat sich von meist jungen Musikern und Komponisten Lieder schreiben lassen, hat sich mit dem Gitarristen Bernardo Couto, dem Bassisten Bernardo Moreia und Luís Figueiredo an Piano und Keyboard klasse Musiker ins Boot geholt und gewährt ihnen große musikalische Freiheiten.

Wiedergeburt mit 24 Jahren

Eva ist das alter Ego von Branco, wie man auf dem Cover erfährt. Sie wurde 2006 im Alter von 34 Jahren im Lousiana Museum of Art, Dänemark, geboren - soweit die Legende. Ein Freigeist. Sie sieht sich als Fotografin, die Seelen, Schönheit und Körper einfängt. Eine Vision, die in den Stücken weiterschwingt. Das Album präsentiert zehn sehr heterogene Stücke, musikalisch und stilistisch vielseitige Lieder, deren verbindendes Glied Brancos unverwechselbare Stimme, aber auch Figueiredos Piano ist. Heitere Nummern, schnelle, langsame, getragene erzählen von Sehnsüchten und Tagträumen, von alltäglichen Begegnungen. Der Weltschmerz spielt natürlich auch eine Rolle, der „Blues der Portugiesen“ lässt sich nicht abschütteln. Weswegen lobende Stimmen schon vom „modernen Fado“ und „Neo Fado“ schwärmen. Sie wird ihn nicht los.

In loser Folge an dieser Stelle: Kulturtipps für zu Hause aus der Feuilleton-Redaktion.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Held ohne Heldenpose
“One Life“ mit Anthony Hopkins Held ohne Heldenpose
Zum Thema
Schubert mit Harnoncourt
Kulturtipp für zu Hause Schubert mit Harnoncourt
Aus dem Ressort
Nichts oder doppelt Nichts?
Unterm Strich: Der merkwürdige Zank um den zweifachen Leerraum Nichts oder doppelt Nichts?