Talkshow zur Woche der Demokratie Der Kampf gegen Gewalt im digitalen Raum
Bonn · Das Gesprächsformat der Bundeskunsthalle geht in eine neue Runde. Im Studio Bonn diskutierten am Dienstagabend der Psychologe Steve Ayan, der Journalist Markus Beckendahl und die Gründerin von HateAid Anna-Lena von Hodenberg über die Bedrohung durch Hass und Gewalt im Netz und die Frage, wie viel Streit Demokratie aushält.
Zum Auftakt der Woche der Demokratie in der Bundeskunsthalle diskutierte Moderator Sven Sappelt am Dienstagabend im „Studio Bonn“ mit Experten aus verschiedenen Bereichen über die Fragen, wie es aktuell um die Kommunikationskultur in Deutschland steht, wie viel Streit Demokratie braucht und aushält, und welche Gefahren im Netz drohen.
Anna-Lena von Hodenberg, Gründerin der gemeinnützigen Organisation HateAid, die sich gegen Gewalt und Hass im digitalen Raum einsetzt, teilte Einblicke in ihre alltägliche Arbeit. Psychologe und Wissenschaftsjournalist Steve Ayan ordnete die Schwierigkeit, polarisierende Themen offen anzusprechen, psychologisch ein. Und Journalist Markus Beckendahl erklärte seine Ansätze für konstruktive Berichterstattung im „rechten medialen Ökosystem“, das sich in Deutschland entwickelt habe. Eine funktionierende Demokratie basiere auf einem konstruktivem Streitverhalten, so Beckendahl. „Streiten aber nicht bedrohen“, ergänzte von Hodenberg. Denn Hass und Gewalt im digitalen Raum sieht die Journalistin als eine der größten Gefahren für die Demokratie. Kleine Gruppierungen können ihre Meinung auf den digitalen Plattformen stark verbreiten, wenn sie sich mit den Algorithmen auskennen, so von Hodenberg. Davon würden beispielsweise rechtsextreme Gruppen profitieren.
Im Internet lassen einzelne Personen anonym ihre Aggressivität raus
Die HateAid-Gründerin hat jedoch auch Situationen erlebt, wo einzelne Personen nach einem schlechten Tag abends den Laptop aufmachen und banale Aggressivität abladen, erzählte sie. „Kurz mal auf die Tastatur gekotzt“, sagt von Hodenberg. Kollektive Bestätigung durch Hasskommentare könne süchtig machen. Denn Likes führen dazu, dass das Gehirn Dopamin ausschüttet, erklärte Beckendahl. Er habe eine Zeit lang versucht, mit konstruktiven Nachrichten gegen Hasskommentare anzukämpfen. „Aber das ist wie, wenn man gegen Windmühlen anläuft. Mein Kommentar geht neben den negativen unter“, sagte der Journalist.
Auch wenn die strafrechtlichen Prozesse und Instanzen um gegen Gewalt im digitalen Raum vorzugehen mittlerweile besser funktionieren, lösche die Strafverfolgung nur Brände, ändere nichts an dem Raum, den soziale Plattformen für digitale Gewalt bieten, meinte von Hodenberg, „eigentlich ist das Kind schon in den Brunnen gefallen, wenn es zur Anzeige kommt“. Die sozialen Netzwerke sollten grundlegend sicherer konzipiert sein. „Je mehr wir die roten Linien im digitalen Raum nicht ziehen, desto mehr normalisieren wir Gewalt.“ Dabei sei die Europäische Union durch ihre Gesetze eine große Chance zur Regulation.
Die Aufzeichnung des Gesprächs ist in der Mediathek der Bundeskunsthalle unter www.bundeskunsthalle.de kostenlos abrufbar.
Bis zum 8. September bietet die Bundeskunsthalle innerhalb der Woche der Demokratie zahlreiche besondere Führungen zur aktuellen Ausstellung „Für alle! Demokratie neu gestalten“ an. Am 7. September wird der Jugenddemokratiepreis verliehen, die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenlos. Tickets zu den Führungen sind vor Ort oder auf der Webseite erhältlich.