Ausstellung im Bonner Kunstverein Der Punk ist traurig

Bonn · Nick Relphs sehenswertes Deutschland-Debüt im Bonner Kunstverein mit drei starken, melancholischen Filmen. Die Eröffnung ist am Sonntag.

 Projektion im Dunkeln: Szene aus Nick Relphs neuem Film „Corrupt Punk Composite“ im Bonner Kunstverein. FOTO: BENJAMIN WESTHOFF

Projektion im Dunkeln: Szene aus Nick Relphs neuem Film „Corrupt Punk Composite“ im Bonner Kunstverein. FOTO: BENJAMIN WESTHOFF

Foto: Benjamin Westhoff

Ein Hauch von Melancholie umschwebt das Werk des 1979 in London geborenen und in New York lebenden Fotografen und Videokünstlers Nick Relph. Das gibt er auch gerne zu, bläst wehmütig in sein Saxofon und lässt gar nicht dazu passende Bilder, Zukunftsvisionen von New York, vorbeirauschen. Das Klischee des jazzigen Big Apple der 1950er und 1960er Jahre trifft auf Architektenträume einer gar nicht so fernen Zukunft.

Für seinen brandneuen Film „What's Going On Here“ hat Relph Plakatwände, die vor New Yorker Baustellen geplante Gebäude visualisieren, mit dem Handscanner abgetastet. Er zeigt diese groben, mitunter unscharfen Visionen in Bewegung, pickt sich Details heraus, etwa Passantenbilder, die die Planer in die Plakate hineinkopierten, um so etwas wie Leben zu suggerieren. Und das, wie Relph erläutert, vor dem Hintergrund, dass immer mehr Menschen, auch Galerien, sich die Mieten in Manhattan nicht mehr leisten können und nach Queens oder – wie er – nach Brooklyn ausweichen müssen. Es sei weniger Kritik an der boomenden Stadtentwicklung, was ihn antreibe, erzählt er, sondern „eine tiefe Traurigkeit“. Und das Zusammentreffen von High-Tech-Planung und der Ästhetik einer eher groben Grafik mit ihren Unzulänglichkeiten und Zufällen.

Nick Relph, der insbesondere in den USA, außerdem etwa in London, Zürich und Oslo Einzelausstellung hatte und 2003 sowie 2011 auf der Kunstbiennale von Venedig zu sehen war, bekommt nun im Bonner Kunstverein seine erste Soloshow in Deutschland. Erneut eine sehenswerte Entdeckung der Kunstvereins-Chefin Michelle Cotton. In der abgedunkelten Bonner Halle sind drei großformatige Videoprojektionen zu sehen, zwei ganz neue Arbeiten und ein Projekt von 2011.

Der Film kollabiert

Melancholisch wie sein New-York-Abgesang kommt auch „Corrupt Punk Composite“ daher, obwohl das „punkige“ Staccato der Bilder und Soundfetzen im krassen Gegensatz zum eher ruhigen Bilderfluss der Architekturvisionen steht. Als Relph geboren wurde, galt der Punk in London fast schon als Auslaufmodell. Aber er muss ihn fasziniert haben, denn 2010 drehte er die Dokumentation „The Punk And Her Musik“ die mit einem Röhrenprojektor – mit drei jeweils einfarbigen Projektoren (Rot, Grün, Blau) – präsentiert wurde.

Beim Versuch, dieses dreistufige analoge Verfahren auf den Computer zu übertragen, kollabierte der Film, die Datei wurde beschädigt. Heraus kam das, was Relph nun „Corrupt Punk Composite“ nennt, eine wilde Collage aus Bildern, Pixels, Brechungen und Farbverläufen. Kombiniert wird die Filmruine mit Fundstücken etwa einer japanischen Doku und Impressionen eines späten, traurigen Edelpunks auf dem Trafalgar Square. Ein bizarres audiovisuelles Erlebnis. Rückblickend auf die Punk-Ära liefert Relph ein spannendes, wildes, sehr emotionales Porträt ab. 20 Minuten exquisiter Bilderrausch.

Relphs sehenswertes Deutschland-Debüt endet mit einer Liebeserklärung. Der Brite verehrt nämlich die deutsche Bildhauerin Isa Genzken, wie er bei der Präsentation seiner Ausstellung gestand. 2011 legte er eine Monografie über Genzken neben ein Buch über den Modeschöpfer Ralph Lauren und blätterte beide Werke synchron durch, ließ sich dabei zu surreal anmutenden Collagen inspirieren. „Ich liebe Isas Kunst und beschäftige mich gerne mit Fashion – auch beim Punk war das so“, sagt Relph. Und er fand es spannend, wie beide Künstler auf New York blicken, Lauren als in der Bronx geborener Insider und die Europäerin Genzken mit ihrem spezifischen Blick. Es scheine, als hätten die Seiten beim Durchblättern Sex, meint Relph. Die Filmdoku davon heißt „Jazz Hands“, der Sound ist etwas ganz Besonderes: Naturklänge des französischen Ornithologen Jean-Claude Roché aus den 1970ern. Insgesamt ein bezaubernder, ruhig fließender, zeitloser Essay über die Schönheit.

Bonner Kunstverein, Hochstadenring 22; bis 25. Juni. Di-So 11-17, Do bis 19 Uhr. Eröffnung am Sonntag, 23. April, 17 Uhr. Führungen am 29.4., 13.5. und 24.6., jeweils 15 Uhr. August-Macke-Viertel-Fest am 13. Mai

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