Leo Breuer in der Gesellschaft für Kunst und Gestaltung Die Suche nach Neuland

Bonn · Die Bonner Gesellschaft für Kunst und Gestaltung dokumentiert in einer Ausstellung Leo Breuers Weg von der Neuen Sachlichkeit zur Abstraktion. Die Zeit des Nationalsozialismus spielt dabei mutmaßlich eine entscheidende Rolle.

 Leo Breuers Aquarell  aus dem Internierungslager im französischen Gurs (1940/41).

Leo Breuers Aquarell  aus dem Internierungslager im französischen Gurs (1940/41).

Foto: Thomas Kliemann

Abrupter kann man sich einen Wechsel nicht vorstellen: Noch in den 1940er Jahren malt Leo Breuer realistisch, gilt mit Bildern wie „Kohlenmann“ (1931) als wichtiger Vertreter der Neuen Sachlichkeit im Kolorit der Zeit. 1947 erlebt man ihn dann plötzlich als geometrischen Konstruktivisten mit hellen, starken Farben: Ein Bild wie „Attraction de Rouge“ erzählt alles, was man über die Anziehungskraft von Rot wissen muss.

Was ist geschehen? 1973 meinte der 1893, also vor 130 Jahren, in Endenich geborene Maler bilanzierend: „Die Suche nach Neuland ist wie der Prozess ja das Faszinierende bei der Kreativität.“ Näheres zum Umschwung von der Neuen Sachlichkeit zur Abstraktion sagte er nicht. Die Bonner Gesellschaft für Kunst und Gestaltung (gkg) versucht nun in einer Jubiläumsausstellung, Breuers Paradigmenwechsel zumindest zu illustrieren, indem sie Aquarelle zeigt, die in den Jahren 1940/41 entstanden, als Breuer in französischen Lagern interniert war. Es sind Faksimiles einer Reihe von Aquarellen, die durch Breuers Sohn Jacques Breuer an das Zentrum für verfolgte Künste in Solingen geschenkt wurden. Da die Originale auf schlechtem Lager-Papier mitunter mit Asche und Blut gemalt wurden, sind sie äußerst empfindlich. Die Faksimiles sind exzellent.

Flucht und Verhaftung

Drei Blätter dieses ergreifenden Konvoluts, das Gefangene der Internierungslager in Saint-Cyprien und Gurs nördlich der Pyrenäen und Szenen aus dem Lager-Alltag zeigt, gingen ins Museum Yad Vashem in Jerusalem. 1934 war Breuer nach Den Haag emigriert. Der Beginn der nationalsozialistischen Diktatur und der Zweite Weltkrieg bedeuteten für Breuer Flucht, Leben im Untergrund, Verhaftung, Internierung in Frankreich und den Verlust eines wesentlichen Teils seines Frühwerks.

„Vielleicht waren es diese ‚Bilder der Zeit‘ zwischen 1933 und 1945. die er nicht mehr aus dem Kopf bekam und die zu seiner konsequenten Abstraktion ab den Jahren nach dem Krieg führten“, erklärt die Vorsitzende der gkg und frühere Direktorin des LVR-Landesmuseums, Gabriele Uelsberg. Und präsentiert quasi als Brücke zwischen den Werkphasen kleine Arbeiten auf Papier, die bereits mit abstrakten Elementen und Schraffuren das vorbereiten, was Breuers Arbeit der 1950er-Jahre bis zu seinem Tod 1975 prägte.

Die gkg zeigt in ihrem großen Raum Großformate aus dem Spätwerk, die durch die Schenkung von Jacques Breuer ins Landesmuseum gelangten und zum Teil nur selten oder noch nie zu sehen waren. Man erlebt einen äußerst sensiblen Maler, der das Bild als Relief aus geometrischen Elementen versteht, das mit zarten Erhebungen Bewegungen und Flimmereffekte erzeugt. Die nähe zur Architektur und Skulptur ist unübersehbar, aber auch der Charakter der Malerei schwingt mit. Mit einem unglaublichen Gefühl für Nuancen färbt Breuer seine Elemente ein, chromatisch fein abgestuft. Ganz anders als die Konstruktivisten der 1920/30-Jahre, die nur einen starren Kanon von Primärfarben zuließen. Breuer geht ganz frei und erfreulich undogmatisch mit der Palette um. Er kreiert gleichwohl seine eigene Ordnung. 1969 sagte er sehr elegant: „Ich bin kein Purist. Ich könnte den Konstruktivismus auch trockener machen, aber ich weise das Poetische nicht ab.“

Die Ausstellung bettet die Malerei mit Archivalien aus dem Fundus des Bonner Sammlers Marcel Bouziri in den Kontext der Zeit ein: Man sieht etwa Kataloge und Plakate von Ausstellungen, die Leo Breuer als Mitglied der Réalités Nouvelles in Frankreich organisierte. Seit 1953 pendelte er zwischen seinen Ateliers in Bonn und Paris. Eine zweite Vitrine zeigt Breuers Bonner Aktivitäten, etwa in der Galerie Circulus von Marianne Pitzen oder in der Zeitschrift „Circular“ (Marianne und Horst Pitzen, Walfried Pohl und andere). Insgesamt ein spannendes Porträt über einen außergewöhnlichen Bonner Künstler. 

Die Ausstellung in der Gesellschaft für Kunst und Gestaltung, Hochstadenring 22, wird am Sonntag, 23. April, 12 Uhr eröffnet und läuft bis 11. Juni. Info: www.gkg-bonn.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Held ohne Heldenpose
“One Life“ mit Anthony Hopkins Held ohne Heldenpose
Zum Thema
Aus dem Ressort