"Nur eine Frau" Drama über Ehrenmord an junger Frau kommt ins Kino

Bonn · Sherry Hormanns einfühlsames Drama "Nur eine Frau" über den "Ehrenmord" an Hatun Aynur Sürücü kommt nun in die Kinos. Mitte Mai ist der Film zu sehen.

Die Kamera bewegt sich durch die Kreuzberger Oranienstraße, folgt einer jungen Mutter mit einem Kind auf dem Arm und sucht scheinbar zufällig weitere türkische Frauen in ähnlichem Alter mit oder ohne Kopftuch aus der Menge der Passanten heraus. „Sie könnte ich sein. Oder sie. Aber nee.“ sagt die Erzählerinnenstimme aus dem Off und die Tatortaufnahme eines zugedeckten Leichnams kommt ins Bild: „Das bin ich. Mein Bruder hat mich erschossen, im Februar 2005. Ich war ein Ehrenmord“.

Von der ersten Filmminute an macht Sherry Hormanns „Nur eine Frau“ klar, dass sie ihr Thema direkt ansteuert und wem hier die Erzählperspektive gehört: Hatun Aynur Sürücü, die im Alter von 23 Jahren von ihrem jüngsten Bruder mit drei Schüssen ins Gesicht hingerichtet wurde, weil sie sich weigerte nach den Regeln zu leben, die die strengen, sunnitischen Traditionen ihrer türkisch-kurdischen Familie für sie vorsahen.

Mit 16 wird sie vom Vater in der Türkei mit einem Cousin verheiratet. Nach einem Jahr kehrt Aynur (Almila Bagriacik) hochschwanger und mit blauen Flecken am Körper nach Berlin zurück.

Der Vater nimmt die Tochter wieder auf, aber dieser Gnadenakt hat einen hohen Preis. Die geschiedene Aynur darf nach den religiösen Traditionen das Haus nicht alleine verlassen und muss mit den Ausführungen niederer Arbeiten im Haushalt Buße tun. Als Aynur es nicht mehr aushält in der engen Wohnung mit ihrem Baby und den sieben Geschwistern, sucht sie sich mithilfe des Jugendamtes eine eigene Bleibe, beginnt eine Lehre als Elektroinstallateurin, tauscht das Kopftuch gegen den Blaumann, lernt neue Freundinnen und andere Männer kennen.

Terror gegen die Schwester

Für ihre Brüder wird dadurch die familiäre Schande immer größer. Sie belästigen ihre Schwester mit Telefonanrufen und Morddrohungen. Dennoch sucht Aynur mit ihrem Sohn immer wieder den Kontakt zur Familie, bis ihr jüngster Bruder Nuri (Rauand Taleb) sie besucht, um sie zu erschießen.

„Bereust du deine Sünden?“ fragt er, wie es die Tradition vorsieht, und drückt ab, ohne eine Antwort abzuwarten.

Sherry Hormann, Drehbuchautor Florian Oeller und Produzentin Sandra Maischberger haben ihren Film auf detaillierten Gerichtsakten und Gutachten sowie journalistischen Recherchen zum Fall Sürücü aufgebaut und durch die fiktive Erzählperspektive der Ermordeten angereichert. Entstanden ist ein ebenso emotionaler wie auch analytischer Film über eine Frau, die voller Lebensenergie den patriarchalen Traditionen trotzte, ohne die Liebe zu ihrer Familie aufgeben zu wollen.

Dass der Film aus diesem persönlichen Widerspruch Aynurs heraus erzählt ist, macht seine große Stärke aus. In der tiefen Liebe einer Tochter zu einer Familie, die sie als Schande empfindet, steckt der tragische Kern der Geschichte und eines Lebens, das viele Frauen zwischen streng muslimischer und westlicher Kultur führen. Hormann gelingt es durch dokumentarische Stilelemente und hineingestreute Fotostrecken immer wieder, Luft zum Atmen ins dramatische Geschehen zu pumpen.

Brüder keine islamischen Monster

Dem tragischen Pathos verweigert sie sich ebenso wie der Darstellung der Brüder als islamistische Monster. Aber wie schafft es ein Bruder, die eigene Schwester kaltblütig umzubringen, die ihm als kleinen Jungen die Hand gehalten hat, wenn er nicht einschlafen konnte? Diese Frage muss auch in diesem Film offen bleiben, weil es darauf vielleicht auch gar keine nachvollziehbare Antwort gibt. Sicherlich sind diese Männer von einer rigiden religiösen Ideologie und Traditionen verblendet. Aber es sind vor allem auch Männer, die ihre patriarchale Macht durch eine selbstständig agierende Frau bedroht sehen und für ihr Handeln voll verantwortlich sind. Natürlich ist auch dieser Film in diesen Zeiten nicht davor gefeit, Beifall von der falschen Seite zu bekommen. Aber gerade im Angesicht von AfD und Pegida ist es wichtig, dass solche Themen rückhaltlos und frei von rassistischen Ressentiments aufgenommen werden, so wie es Hormann in diesem ergreifend klarsichtigen Film getan hat.

Im Bonner Rex-Kino ist am Freitag, 17. Mai, im Anschluss an die Vorführung ein Filmgespräch mit der Produzentin Sandra Maischberger sowie den Schauspielern Rauand Taleb und Aram Arami vorgesehen. Der Film startet um 18 Uhr.

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