Buchtipp "Der Filmvorführer" Eine Liebe im Windschatten der Geschichte

Bonn · Aka Morchiladzes Roman „Der Filmvorführer“ erzählt die außergewöhnliche Geschichte von dem naiven Beso und seinem väterlichen besten Freund Islam Sultanow

 Den Bucheinband ziert ein Gemälde von Karlo Kacharava.

Den Bucheinband ziert ein Gemälde von Karlo Kacharava.

Foto: w

Es sind herzzerreißende Schicksale, die der georgische Autor Aka Morchiladze in seinem Buch „Der Filmvorführer“ ausbreitet. Und es ist eine große Gabe, wie erstaunlich leicht, bisweilen witzig, empathisch und doch durch und durch unsentimental Morchiladze seine Geschichte von Beso und seinem väterlichen besten Freund Islam Sultanow erzählt. Der hat in seiner Heimat eigentlich alles verloren, was sein Leben und seinen gesellschaftlichen Status ausmachte – und lebt dennoch fröhlich, lebensklug und weise in absoluter Selbstbeschränkung und quasi immer in Hörweite von Beso. Sultanow ist der Sohn des letzten Khan des Kalifats Kirbal. Der Vater wird in der Stalinzeit von den Kommunisten ermordet, Sultanow und seine Mutter werden verhaftet. Er wird zunächst nach Sibirien verbannt, darf sich anschließend nicht in größeren Städten ansiedeln, landet in einem Nest im sozialistischen Westgeorgien, wo er einen Job als Filmvorführer bekommt.

Beso ist noch ein Kind, als er Sultanow kennenlernt. Und er ist der Einzige, der Kontakt zu dem seltsamen Außenseiter sucht. Der revanchiert sich mit einer lebenslangen Sorge um den etwas schlichten Loser Beso. Ein tolles, außergewöhnliches Gespann. Beso muss in den Krieg nach Afghanistan, den er als Fahrer eines Oberst ganz gut übersteht. Einmal gerät er aber in eine lebensbedrohliche Situation – mysteriöse Worte Sultanows retten ihn. Leidenschaftslos berichtet Beso vom „russischen Soldatenscheiß“, ähnlich stoisch lässt er die mitunter dramatische politische Situation und die sozialen Umwälzungen in Georgien mit ideologischen Kämpfen, Prügeleien und Intrigen an sich vorbeiziehen, die Morchiladze als Hintergrundhandlung mitlaufen lässt. Besos beschauliches, eigentlich betuliches und langweiliges Leben in der Provinz wird dann und wann vom Sog der Geschichte erfasst. Dann ist meist Sultanow zur Stelle.

Das gilt auch für Besos wichtigste Bewährungsprobe, der er mithilfe des Freundes begegnen muss: Besos Mutter hat für ihren Jungen eine Frau ausgesucht – so ist es Brauch. Der hat sein Herz aber an die Studentin Tamriko verloren, deren Eltern ebenfalls andere Pläne haben. Wird sich der naive Beso gegen seine dominante Mutter durchsetzen können? Wird Sultanow seine Heimat wiedersehen? Morchiladze gibt mit feiner, poetischer Sprache Antworten.

Lesung in der Buchhandlung Böttger am 15. Oktober, 20 Uhr: „Reise nach Karabach“ (176 S., 20 Euro) und „Der Filmvorführer“ (140 S., 19 Euro) – Aka Morchiladze stellt seine Romane vor. Mit Katharina Waldau (Lesung der deutschen Übersetzung) und Barbara Weidle (Moderation). Die Bücher sind im Weidle Verlag erschienen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Eine Szene aus „One Life“: Anthony
Held ohne Heldenpose
“One Life“ mit Anthony HopkinsHeld ohne Heldenpose
Zum Thema
Aus dem Ressort