Bundeskunsthalle feiert Jubiläum Eine Steilkurve auf dem Dach

Bonn · Ein Gang durch die Steilkurve: Bettina Pousttchis Installation auf dem Dach der Bundeskunsthalle läutet das Jubiläumswochenende ein.

 Bettina Pousttchi (links) und Eva Kraus in der Installation  „The Curve“ auf dem Dach der Bundeskunsthalle.

Bettina Pousttchi (links) und Eva Kraus in der Installation „The Curve“ auf dem Dach der Bundeskunsthalle.

Foto: Benjamin Westhoff

Auf der Fahrbahn herrscht eine geschäftige, aber vollkommen geordnete Tätigkeit“, registriert der Reporter, „alle Arten, vom Lastwagen bis zum eleganten Coupé umkreisen mit der Höchstgeschwindigkeit, jedoch in grösster Ordnung die Fahrbahn, ein eindrucksvolles Bild der Tätigkeit und der Kraftentfaltung zeigend“. 1924 berichtete die „Schweizerische Bauzeitung“ vom Dach des Fiat-Produktionswerks im Turiner Stadtteil Lingotto, das als Clou eine ovale Autobahn mit Steilkurven zu bieten hat. Jedes Auto, das vom Band lief, drehte eine Runde auf der einen Kilometer langen Teststrecke.

Gustav Peichls „fünfte Fassade“

Die Berlinerin Bettina Pousttchi fühlte sich an diese Strecke erinnert, als sie auf dem Dach der Bundeskunsthalle stand. Ihre 35 Meter lange und vier Meter hohe Skulptur „The Curve“ in der Nordwestecke des Dachs reagiert gleichermaßen auf die Turiner Teststrecke wie die Situation auf der „fünften Fassade“ (Architekt Gustav Peichl) der Bundeskunsthalle: „The Curve“ ist auf den ersten Blick ein begehbares Segment einer Steilkurve. Pousttchi spricht selbst von „Skulptur, Architektur, Bühne – aber kein Spielplatz“. Es erfordert Mut und Geschicklichkeit, die Steilkurve, die der Neigung nach der eines Velodroms entspricht, zu erklimmen – und heil wieder herunterzukommen. Man gewinnt von oben eine neue Perspektive auf die Welt, das Dach, die drei Lichtkegel und die Umgebung und könne, so Pousttchi, sich in der Schräglage „Gedanken über Bewegung und Beschleunigung machen“. Während man quasi entschleunigt wird. Eine interessante Erfahrung.

Pousttchi reagiert mit ihren Arbeiten häufig auf Architektur oder urbane Situationen: In Berlin realisierte sie zum Beispiel die Installation „Echo“, bei der an der Fassade der Temporären Kunsthalle Elemente des abgerissenen Palasts der Republik zu sehen waren. Leitplanken und Baumschutzbügel inspirierten Pousttchi zu Skulpturen, die unter dem Titel „Fluidity“ noch bis 12. Juni im Arp Museum Rolandseck zu sehen sind.

280 Ausstellungen und 20 Millionen Besucher

„The Curve“ soll bis Sommer 2023 stehenbleiben und ist Teil des Programms zum 30-Jährigen der Bundeskunsthalle. Oliver Hölken, kaufmännischer Geschäftsführer, erinnerte am Donnerstag auf dem Dach an 280 Ausstellungen der vergangenen 30 Jahre, die mehr als 20 Millionen Besucher angelockt hätten. Am 17. Juni 1992 wurden Bundeskunsthalle und Kunstmuseum Bonn feierlich eröffnet. Intendantin Eva Kraus erinnerte jetzt an Ausstellungs-Highlights wie „Niki de Saint-Phalle“, „Marlene Dietrich“, „Gustav Peichl“, die Reihe „Die großen Sammlungen“, „Hannah Arendt“, „Einsicht. Global Change“ und viele mehr.

Die kommenden drei Tage sind parallel zum Museumsmeilenfest dicht gefüllt mit einem üppigen Jubiläumsprogramm (wir berichteten) mit Führungen, Ausstellungen bei freiem Eintritt, Workshops, Performances, Musik und Party. Am Samstag und Sonntag startet bei Einbruch der Dunkelheit die Lichtinstallation des Finnen Kari Kola, „Creative Cones“. Ein hundert Meter hoher Lichtkegel wird die drei kegelförmigen Türme auf dem Dach der Bundeskunsthalle einbeziehen und energiesparend mit LED in den Himmel über Bonn leuchten. Drei weitere Lichtkegel will Kola auf dem Museumsplatz inszenieren.

Museumswärter erinnern sich

Im Foyer der Bundeskunsthalle hat Rivane Neuenschwander die Arbeit „I Wish Your Wish“ installiert: An der Wand hängen bunte, mit 60 verschiedenen Wünschen bedruckte Bänder, die der Besucher gegen eigene Wünsche eintauschen kann.

Reaktiviert werden zwei ältere Arbeiten: die beliebte Brunnenskulptur „Circular Appearing Rooms“ und Carsten Höllers nicht minder attraktive „Bonner Rutschbahn“ vom Dach der Bundeskunsthalle hinab auf den Museumsplatz.

Das Jubiläumsprogramm startet bereits am Freitag, 20 Uhr mit der Performance „Gardien Party“. Eine Party der Gardiens, der Museumswärter, realisiert von dem Regisseur Mohamed El Khatib und der Autorin Valérie Mréjen. Sie haben in Museen auf der ganze Welt recherchiert und Aussagen gesammelt, die das Material für dieseTheaterperformance bilden. „Gardien Party lädt ein zu einer besonderen Museumstour, die aus ungewohntem Blickwinkel auf die Institution Museum schaut und unser Verhältnis zu Kunst und Ausstellungen auf den Kopf stellt“, verspricht die Bundeskunsthalle.

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