Premiere im Depot 2 Ersan Mondtags "Die Vernichtung" läuft in Köln

Köln · Ersan Mondtag bringt „Die Vernichtung“ auf die Bühne des Kölner Depot 2. Verfremdungsfan Ersan Mondtag lässt sein Ensemble die Dialoge nicht agieren, sondern – durch Mikroports verstärkt – aufsagen.

 Szene aus "Die Vernichtung"

Szene aus "Die Vernichtung"

Foto: Birgit Hupfeld

Die Bühne ist in einen Kitsch-Garten verwandelt – viel Grün, viel Gras, vorne verblüffen zwei ausgestopfte Wildschweine, hinten zwei Marmorstatuen (eine mit Unterschenkelprothese) und eine Büste (die dem Regisseur ähneln könnte). Und mittendrin schimmert ein putziger Teich, daneben wiegt sich Klatschmohn im Mini-Kornfeld.

Durch ein Mittelding zwischen Kirchenportal und Terrassentür betreten vier Figuren die Szenerie, gekleidet in Nacktheit suggerierende Ganzkörperanzüge, Gesichter und Leiber in einem Stil bemalt, der an Ernst Ludwig Kirchner erinnern soll. Sie staksen wie Zombie-Aliens, entwickeln eine Körpersprache zwischen alt-griechischer Gymnastik und Riefenstahl-Ästhetik, um schließlich zu monotonen Beats auf der Stelle zu treten.

Man kann sich nicht darüber beschweren, dass zu wenig Schauwerte geboten werden, wenn Ersan Mondtag in der Personalunion Regisseur, Kostüm- und Bühnenbildner inszeniert. „Die Vernichtung“, die jetzt im Depot 2 als Übernahme vom Konzert Theater Bern läuft, bildet keine Ausnahme. Seit der Premiere vor zwei Jahren war man beim Berliner Theatertreffen und Autorin Olga Bach mit ihrem Debüt unter anderem beim Mülheimer Dramatikerpreis nominiert. Ziemlich viele Vorschusslorbeeren, die sich allerdings bislang nicht so ganz auf die Vorverkaufszahlen in Köln auswirken konnten.

Im Text geht es um zwei Männer (Elias Reichert, Nikolay Sidorenko) und eine Frau (Sophia Burtscher), die emotional und in wechselnden Konstellationen amourös miteinander verstrickt sind. Gemeinsam streifen sie durch ein Wochenende, treffen auf die unterschiedlichsten Figuren (die Jonas Grundner-Culemann verkörpert). Man streitet, man schwadroniert, man schwätzt gepflegtes Dummzeug, glänzt mit Halbwissen, übt sich in Verschwörungstheorien – und hat am Ende der Nacht alles andere als eine gute Zeit gehabt. Wohin für sie die Reise geht, ist kaum zu erahnen – wenn man nicht wie Regisseur und Autorin um die 30 ist. Denn beim gesetzteren Zuschauer setzt bald die Resignation ein: Wann ist aus dem derben „Shoppen und Ficken“ ein „Rumlabern und lustloses Schubbern“ geworden?

Verfremdungsfan Mondtag lässt sein Ensemble die Dialoge nicht agieren, sondern – durch Mikroports verstärkt – aufsagen, Beleuchtung und das extreme Make-up machen es auch nicht gerade leichter zu erkennen, wer nun gerade mit wem spricht. Konsequenterweise rattert gen Ende eine verzerrte Stimme eine Sequenz einfach mal herunter und skandiert die Aussagen wie in einem Technosong.

Bei all dem weiß man nicht, ob Ersan Mondtag mit seinen Inszenierungen nun das Regietheater auf eine neue überkandidelte Spitze treibt – oder ob er sich über die verkopften Kollegen mit jugendlichem Übermut einfach nur lustig macht. Und ist Bergs Text jetzt unendlich belanglos oder die treffliche Beschreibung einer in der Belanglosigkeit versinkenden Generation? Aber genau dieses Moment des Ungewissen hält die Zuschauer in Spannung. Zumindest die 75 Minuten, die der Abend bei der Premiere dauert. Entsprechend wohlwollend waren die Reaktionen des Publikums.

75 Minuten. Wieder am 25., 27., 29. und 30.9., jeweils 20 Uhr.

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