Ausstellung Ferdinand Hodler, ein Vertreter der frühen Moderne

Bonn · Die Bonner Bundeskunsthalle entführt in den Kosmos des Malers Ferdinand Hodler, Meister eines sehr eigenständigen Jugendstils und brillanter Vertreter der frühen Moderne

 Attraktiver Durchblick: Ferdinand Hodlers „Der Tag“ (um 1901, links) und „Abendruhe“ (1903) in der Bonner Schau. FOTO: WESTHOFF

Attraktiver Durchblick: Ferdinand Hodlers „Der Tag“ (um 1901, links) und „Abendruhe“ (1903) in der Bonner Schau. FOTO: WESTHOFF

Foto: Benjamin Westhoff

Die nationale Presse im Kaiserreich schäumte – „Hodler ist für uns Deutsche erledigt“ –, Kulturfunktionäre und Künstler gingen gegen den Schweizer Maler in Stellung, das Kölner Wallraf-Richartz-Museum hängte aus Protest ein Bild von ihm ab, die Berliner Sezession und andere deutsche Künstlervereinigungen schlossen den Mann aus, dessen „Deutschheit“ plötzlich infrage stand. In der Universität von Jena Geschichte des Bildes, wo Ferdinand Hodler, der Schweizer Nationalmaler, 1908 noch monumental und eindrucksvoll einen deutschen Mythos – „Auszug der deutschen Studenten in den Freiheitskrieg von 1813“ – auf die Riesenleinwand gebracht hatte, 1914 zur Persona non grata geworden war. Künstlerkollege Erich Heckel und andere forderten gar, Hodlers Bild aus Jena zu verkaufen. Man einigte sich darauf, das Werk hinter einer Bretterwand zu verstecken.

Was war passiert? Hodler hatte, erschüttert von der Zerstörung der Kathedrale von Reims und weiteren Akten der „Kulturbarbarei“ durch die deutschen Truppen zu Beginn des Ersten Weltkriegs, gemeinsam mit 120 Schweizer Künstlern und Intellektuellen einen „Genfer Protest“ unterzeichnet. Die erbitterte, schneidige Antwort der deutschen Künstler und Intellektuellen von Max Liebermann und Gerhart Hauptmann bis Max Planck und Wilhelm Röntgen ließ nicht lange auf sich warten.

Hodler war im Reich erledigt, auch für Sammler und Galeristen. Aber nicht lange. Nach dem Kriegsende 1918 kam das Jenaer Bild wieder zutage. Bald verzeichnete der Kunstmarkt eine wachsende Nachfrage nach Hodler. Ferdinand Möller, ein Breslauer Galerist, vermeldete 1920: „Hodlers Aktien sind wieder im Steigen.“ Der Maler, dessen atemberaubende Karriere einst insbesondere durch deutsche Sammler, Galeristen und Museumsleute befeuert worden war, hat das Comeback seiner Kunst nicht mehr erlebt. Im Mai 1918 starb er 65-jährig in Genf.

Das Verhältnis zu Deutschland

Hodler und Deutschland: Das ist ein Schwerpunkt der grandiosen, mit 100 Gemälden, 40 Zeichnungen und Dutzenden Fotografien bestückten, umfangreichen Ausstellung, mit der die Bundeskunsthalle an Hodler (1853-1918) und sein Werk erinnert.

Warum Hodler? Jenseits der beschriebenen kulturpolitischen Dimension interessiert vor allem der Maler Hodler als Meister eines sehr eigenständigen Jugendstils und brillanter Vertreter der frühen Moderne, der insbesondere im Genre der Landschafts- und Porträtmalerei, aber auch in der Bewältigung monumentaler Formate Erstaunliches und Innovatives geschaffen hat. Allein der Variantenreichtum seiner Seelandschaften über mehrere Jahrzehnte ist umwerfend: Dutzende Bilder des Genfer und Thuner Sees lassen eine Entwicklung erkennen, die von der Plein-Air-Malerei der Schule von Barbizon über die realistische, Courbet-hafte Erfassung von Lichtperspektive und Spiegelungen bis hin zu einer eigenen Handschrift mit leichter Tendenz zur Abstraktion reicht. Ausstellungskuratorin Monika Brunner spricht von einem „seitlich geöffneten Oval“ als Kompositionsmuster – mit dem See im Zentrum, einer konkaven Uferlinie und einem gekrümmten Wolkenband. Allein die Seebilder lohnen den Besuch der Schau. Aber auch die wunderbaren Porträts und die dem Zeitstil der Lebensreform- und Ausdruckstanzbewegung folgenden Figurenarrangements. Wir treffen auf Hodlers wunderschöne Frau Berthe und den Sohn Hector, die immer wieder für die Allegorien des Malers Modell standen, mit denen er es zu internationalem Ruhm und Wohlstand gebracht hat.

Der Todeskampf der Geliebten

Und wir verfolgen über mehrere Jahre den Todeskampf von Hodlers Geliebter Valentine Godé-Darel, die in der Ausstellung 1911 als ausdrucksvolles „Fröhliches Weib“ zu sehen ist, dann vom Krebs geschwächt 1914 im Bett. Am 26. Januar 1915 malt Hodler sie mit groben, verzweifelten Pinselzügen auf dem Sterbelager. Ein erschütterndes Dokument. Die Solothurnerin Gertrud Müller war eine weitere wichtige Frau in seinem Leben: Sie – ein herrliches Porträt zeigt sie strahlend im Garten – hat schon früh seine Kunst gesammelt, ihr verdankt die Nachwelt außerdem eine Fülle von Fotografien des Meisters. Die Bundeskunsthalle zeigt sie im Grafischen Kabinett zusammen mit Pressestimmen zum „Fall Hodler“ sowie 40 Detail- und Kompositionsskizzen, die er im Vorfeld der Monumentalgemälde für die Uni in Jena und das Rathaus in Hannover schuf.

Mit einem eindrucks- und stimmungsvollen Ensemble schließt die Schau: Acht teils klare, teils diesige Bergpanoramen begegnen neun herausragenden Seebildern von 1904 bis 1917, die Hodlers Entwicklung hin zu einem hellen Kolorit und zu einer quasi-abstrakten Aufteilung in horizontalen Farbzonen dokumentieren. Ein blaues Wunder. Hier ist er in der Moderne angekommen. Die Ausstellung, die mit einem großzügigen biografischen Kapitel und einem Blick ins Atelier des noch suchenden, experimentierenden jungen Hodler begann, erreicht mit den späten, entrückten Bildern ihren Höhepunkt.

Bundeskunsthalle Bonn; bis 28. Januar 2018. Di, Mi 10-21, Do-So 10-19 Uhr. Katalog 35 Euro

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